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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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Sie zieht an ihm vorbei. Sie überholt ihn, und sie hält den Abstand, es flimmert ihr vor den Augen, sie spürt den Blutgeschmack, aber sie hält es. Nur eine Spur vor Papa, aber bis ins Ziel, nur ein paar Zentimeter, aber die verändern seinen Blick auf sie für alle Zeiten.
    Und wie reagiert Papa? Er wird sauer. Er spuckt auf den Autoreifen und versteckt sich in einer Dehnung. Nein, das tut er nicht. Er wird ernst, legt ihr die Handflächen auf beide Schultern und sieht ihr tief in die Augen.
    »Ich bin stolz auf dich!«
    Nein, in dem Moment fängt er an zu lachen. Ein warmes Blubbern aus dem Bauch, mitten in der Atemlosigkeit, und dann umarmt er sie schwankend, während der Schweiß tropft, und dann sagt er:
    »Na, jetzt werde ich wohl endgültig ein alter Knacker!«
    Und sie erwidert: »Nein, überhaupt nicht«, und er sagt: »Doch, doch«, und sie sagt: »Nein«, aber ab jetzt ist sie die Stärkere, jetzt ist er derjenige, der das Nachsehen hat.
    Oder?
    Sie wird es niemals erfahren.
     
    Es war ein Penner, der ihn fand. Papa hatte in seiner heruntergekommenen Junggesellenbude gelegen, seiner Einzimmerwohnung, die ihm das Sozialamt besorgt hatte, es war zu der Zeit, als sie und Mama in Falköping wohnten. Therese war drei Jahre und vier Monate alt, und an diesen Tag kann sie sich nicht mehr erinnern, dafür aber an die Beerdigung. Sie hatte die ganze Zeit in der Kirche eine Blume in der Hand, es muss eine Nelke gewesen sein. Sie hielt sie so fest umklammert, dass der Stiel ganz weich wurde, und sie hatte den Kopf hängen lassen, als Therese sie zum Sarg trug. Die Mutter hatte mit ihr geschimpft. Geflüstert, dass sich das nicht gehöre. Ihr Papa lag da tot im Sarg, und Therese hatte ihm diese zerdrückte Blume gegeben. Sie auf den Sargdeckel gelegt. Weiß war sie gewesen, daran erinnerte sie sich. Weiß und zerfleddert.
     
    Vernehmung von David Pääjärvi, 15 Jahre, in Anwesenheit des Erziehungsberechtigten Hans-Ove Pääjärvi.
    Vernehmungsleiter Sonny Rantatalo.
     
    SONNY: Als wir uns das letzte Mal unterhalten haben, David, da hast du Martin Udde als verdreht bezeichnet.
    DAVID: Sie meinen Mutter.
    HANS-OVE: Ist der Junge wegen irgendetwas verdächtig?
    SONNY: Nein, wir möchten nur, dass David uns hilft. Warum fandest du ihn verdreht?
    DAVID: Er wurde wütend wegen gar nichts. Schon wenn man mit dem Moped auf der Straße fuhr, und die Straße gehört ja wohl allen, oder?
    SONNY: Wie stand er zu Kindern?
    DAVID: Er hat Kinder gehasst.
    SONNY: Wieso?
    DAVID: Einmal hat er mich geschlagen.
    SONNY: Erzähl mir davon.
    (Schweigen.)
    HANS-OVE: Okay, das war, als David über das Grundstück des Alten gefahren ist, David hatte ein Mountainbike gekriegt und wollte es ausprobieren.
    SONNY: Wie alt warst du da?
    DAVID: Acht.
    HANS-OVE: Und der Kerl hat sich David geschnappt und ihn mit in die Garage gezerrt, und dann hat er den Jungen verprügelt.
    SONNY: Wie?
    HANS-OVE: Er hat mit der Hand geschlagen.
    SONNY: Wohin genau hat er geschlagen?
    DAVID: Nää …
    SONNY: Doch, das ist wichtig.
    HANS-OVE: Auf den Hintern. Mit heruntergezogener Hose.
    (Schweigen.)
    SONNY: Das ist doch strafbar.
    HANS-OVE: Mhm.
    SONNY: Aber Sie haben ihn nie angezeigt?
    HANS-OVE: Das habe ich selbst geregelt.
    SONNY: Was haben Sie denn gemacht?
    HANS-OVE: Ich bin zu dem Alten hin und habe mit ihm geredet. Unter vier Augen. Wenn Sie verstehen, was ich meine.
    SONNY: Nein, was denn?
    HANS-OVE: Das macht keiner mit meinem Kind. Und das habe ich ihm ziemlich eindringlich klargemacht.
    SONNY: Sie haben ihm gedroht?
    HANS-OVE: Wir haben doch nicht genug Polizisten hier, nicht wahr? Und einiges kann man auch auf die alte Art regeln.
    SONNY: Haben Sie Gewalt angewendet?
    HANS-OVE: Wenn Sie wissen wollen, was ich ehrlich meine … Man rührt kein Kind an. Das ist das schlimmste Verbrechen überhaupt. Es gibt nichts Schlimmeres.
    SONNY: Sie sagen es.
    HANS-OVE: Sag ich doch.
    (Schweigen.)
    SONNY: Äh … David, weißt du, ob Martin Udde das auch mit anderen gemacht hat? Mit anderen Kindern?
    DAVID: Er hat Williams Fahrrad weggeworfen.
    SONNY: Wie das?
    DAVID: Na, in den Graben, ins Wasser. Und das zum zweiten Mal, der Alte war total verrückt.
    SONNY: Und hat er sich hinterher an William vergriffen?
    DAVID: Nein, wir sind weggelaufen. Aber so war er oft, man musste die ganze Zeit aufpassen.
    HANS-OVE: Sind wir jetzt fertig?
    SONNY: Wissen Sie, ob jemand von den anderen Eltern … ob vielleicht noch jemand auf die Idee gekommen ist, ihn

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