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Der Mann, der starb wie ein Lachs

Der Mann, der starb wie ein Lachs

Titel: Der Mann, der starb wie ein Lachs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mikael Niemi
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bei auffallend schmächtigen Brustkörben. Dicke Eheringe, Schweizer Armbanduhren, um den Hals baumelnde Brustbeutel mit Hotelschlüssel und Taschengeld. Es gab auch andere Typen. Jünglinge um die 25 Jahre mit Pferdeschwanz, Ring im Ohr und einer überdimensionierten Tätowierung auf der Schulter. Ecstasyboys. Und unter ihnen der Urgroßvater, ein magerer, krummer Alter in rosa Badehose. Graues Haar über die Glatze gekämmt, ein runzliger Mund, der immer in die Kamera lachte und eine Reihe amerikanischer, gleichmäßiger und unnatürlich weißer Zähne zeigte.
    Es gab auch Frauen, zusammengekauert wie satte Katzen unter ihren Sonnenschirmen, glänzend wie Bratwürste vom Sonnenöl, bläuliche Sonnenbrillen, die über die Seiten englischer Qualitätsbücher spähten. Einsam, umgeben von reservierten Glasblasen, als wären sie in Glühlampen geschlüpft.
    Erst nach einer Weile fiel einem das Kind auf. Ein kleines Mädchen aus der einheimischen Bevölkerung mit weißer Schleife und einem umwerfend niedlichen Rosenmund. Sie saß mitten zwischen ihnen auf dem Boden, zwischen all den behaarten Beinen und Birkenstocksandalen. Ihr Blick war schräg in die Ferne gerichtet, sie spielte nicht, lief aber auch nicht davon. Sie saß da, weil sie es musste. Sie gehörte zu jemandem.
    Zwei kurzgeschorene Eingeborenenjungen, vielleicht Brüder, auf den Knien eines hochgewachsenen, glatzköpfigen Mannes. Alle drei sind nass, sie haben gerade zusammen gebadet. Der Mann lacht in die Kamera, den Kopf charmant schräg gelegt, dadurch hat er eine Fettwulst im Nacken. Der kleinere Junge lacht und umfasst einen Spielzeugelefanten, Onkels breite Finger kitzeln ihn an der Taille. Der ältere Junge dagegen hat die Hände gehoben und verbirgt sein Gesicht.
    Es musste Martin Udde gewesen sein, der die Bilder gemacht hatte. Auf einem der Fotos ist er selbst zu sehen. Breitbeinig steht er zur Kamera gewandt da, auffallend braungebrannt in der weißgekalkten Hoteldusche. Das Wasser läuft ihm über den Kopf und spült das Shampoo auf das graue Brusthaar hinab. Er lacht und streckt die Zungenspitze in einer sinnlichen Geste aus. Mehr ist da nicht. Wenn nicht dieser merkwürdige Kamerawinkel wäre, schräg von unten, als hätte der Fotograf sich hingehockt. Oder wäre sehr klein gewesen. Therese blickt zu Martin Udde auf, wie sich sein eingeseifter, zufriedengestellter Riesenkörper aufbaut, und sie begreift. Das Foto ist von einem Kind gemacht worden.
    Therese schob das Album von sich. Das Mittagessen drehte sich ihr im Magen um. Sie schloss die Augen, befeuchtete sich die Lippen. Dann hob sie ihre Schreibtischunterlage hoch und zog etwas hervor. Eine Zigarrenbauchbinde, Montechristo Nummer 2. Sie führte sie an die Nase und holte Luft in langen, gierigen Zügen.
    Nichts. Doch, Laub. Zeder, schwach. Braunes Kastanienlaub im Herbst.
    Oder war es vielleicht die Sauna? Duftete es nicht nach Sauna?
     
    Ånderman saß in seinem Dienstzimmer und pustete auf eine Tasse lung ching aus dem Taxfreeshop in Hongkong. Vor ihm lag eine zugeschweißte, nummerierte Plastiktüte, die er immer wieder hin und her drehte. Therese ließ sich in dem imposanten Ledersessel nieder, der die Bibliothek in der Fünf-Zimmer-Wohnung seiner Mutter am Strandvägen dominiert hatte, als sie noch lebte. Als Einzelkind hatte er die ganze Pracht an Chippendale und Rörstrand geerbt, Carl Malmsten und Svenskt Tenn und ein paar echte persische Teppiche, die so echt gewesen waren, dass sie an der Wand hingen. Das erste Mal, als Therese sich in dem Sessel niedergelassen hatte, hatte Ånderman ganz nebenbei erwähnt, dass dort bereits drei Staatschefs gesessen hatten. Einer davon war Winston Churchill gewesen.
    »Und der Großmutter geht es gut?«, wollte er wissen.
    »Ja, noch einmal danke für die Hilfe.«
    »Die Mütterlinie«, brummte er. »Ziemlich einmalig, wie man behaupten kann. Pass drauf auf.«
    »Das verstehe ich jetzt nicht.«
    »Ich denke an Mitochondrien-DNA. Die werden nur über das Mutternetz vererbt, also von der Mutter auf die Tochter, von Generation zu Generation. Unsere genetischen Wurzeln können bis zu einer der sieben Urmütter zurückverfolgt werden, die einst anfingen, Europa zu bevölkern. Aber wie gesagt, nur über die Frauenlinie.«
    »Den Männern fehlt das?«
    »Doch, die Männer haben das auch. Aber wir können es nicht weiter verfolgen. Mund auf, wenn ich bitten darf.«
    Ånderman brach eine sterile Verpackung auf und zog ein Plastikstäbchen mit einem

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