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Der Mann, der wirklich liebte

Der Mann, der wirklich liebte

Titel: Der Mann, der wirklich liebte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Schultern und wandte sich verlegen ab.
    »Dann kann ich sie jetzt sehen?«
    »Nein.« Die junge Frau hob den Blick und sah Röhrdanz unsicher in die Augen: »Ihre Frau befindet sich in einem sehr kritischen Zustand …«
    »Wo ist der Chirurg, der sie operiert hat?«, unterbrach Thomas sie. »Es muss doch möglich sein, hier endlich mal eine vernünftige Auskunft zu bekommen.«

    »Die Kollegen sind alle noch oben.«
    »Der Chefarzt aus Leverkusen, dieser Doktor …«
    »Professor Leyen ist gerade zu seinem Kongress aufgebrochen. Er hätte heute Nachmittag schon einen Vortrag halten müssen. Den hat er ausfallen lassen.« Sie machte eine Handbewegung wie jemand, dessen Flugzeug gerade ohne ihn abgeflogen ist. »Ich soll Ihnen ausrichten, dass Sie nach Hause gehen sollen.«
    »Nach Hause?«, wiederholte Röhrdanz fassungslos. »Ich warte hier seit sieben Stunden, und Sie sagen mir nur, dass ich nach Hause fahren soll?«
    »Das ist das Beste für Sie.«
    »Ja meinen Sie denn, ich hole mir jetzt ein Bier aus dem Kühlschrank und setze mich in aller Ruhe vor den Fernseher?« Er musste sich sehr beherrschen, nicht zu schreien.
    »Sie können hier im Moment nichts für Ihre Frau tun«, flüsterte die Ärztin beschämt.
    »Ich will sie sehen!«, beharrte Röhrdanz.
    Die junge Ärztin schüttelte den Kopf. Ihre Augen hatten jeden Glanz verloren. »Sie darf keinen Besuch bekommen.«
    »Was soll das heißen?«, polterte Thomas los, aber ihr Blick ließ ihn verstummen.
    »Hat es was mit der Schwangerschaft zu tun? Ist was mit dem Baby?!«, fragte Röhrdanz, und die Angst um das kleine Wesen legte sich wie eine Klammer um sein Herz.
    »Es handelt sich um eine neurologische Erkrankung, die nichts mit der Schwangerschaft zu tun hat.«

    »Also wird sie das Baby behalten …?« Röhrdanz’ Stimme zitterte bedenklich.
    »Sie müssen jetzt an sich denken«, versuchte die Ärztin einen ruhigeren Ton anzuschlagen. »Sie haben doch kleine Kinder. Fahren Sie nach Hause, und schlafen Sie etwas. Bitte.«
    Röhrdanz schluckte. »Wann kann ich Angela sehen?«
    »Morgen. Kommen Sie morgen früh wieder. Dann werden auch die Ärzte mit Ihnen sprechen.«
    »Wird sie es überleben?« Röhrdanz’ Stimme flatterte wie ein angeschossener Vogel.
    Ein einziges ratloses Kopfschütteln war die Antwort. Die leeren Augen der jungen Frau sagten alles. »Morgen«, wiederholte sie kraftlos, »morgen werden wir mehr wissen. Es tut mir leid, dass ich im Moment nicht mehr für Sie tun kann. Bitte kümmern Sie sich um ihn«, sagte sie zu Thomas. »Lassen Sie ihn nicht mehr Auto fahren, ja?«
    Ihr winziges Lächeln wirkte gequält, als sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich und zum Gehen wandte. Die zierliche Gestalt verschwand so geräuschlos, als hätte der Wind sie fortgeweht.
    Nachdem die gläserne Tür zum Treppenhaus hinter ihr zugefallen war, ging im Wartebereich das Licht aus.
     
    H elgas Schultern zuckten wie unter Elektrostößen, als Röhrdanz um Mitternacht eng umschlungen mit ihr im Hausflur stand. Sie klammerten sich aneinander fest wie zwei Ertrinkende, und keiner war fähig, einen klaren Gedanken zu fassen.

    Thomas hatte Röhrdanz im Vorgarten der Schwiegermutter abgesetzt und versprochen, ihn am nächsten Morgen um acht genau hier wieder abzuholen. Dann war er mit heulendem Motor davongedüst. Noch mehr Elend konnte er einfach nicht ertragen.
    Helga hatte bereits viel zu früh ihren Mann verloren, und jetzt sollte ihre Tochter Angela plötzlich irgendeine heimtückische Krankheit haben? Von einer Sekunde auf die andere?
    Helga hatte fassungslos am Gartenzaun gestanden, angelockt von den aufgeregten Rufen ihrer Nachbarn, und auf ihren reglosen Mann gestarrt. Bis sie das Entsetzliche begreifen konnte, hatte es Wochen, Monate, wenn nicht Jahre gedauert. Und wenn Helga nicht ihre fröhliche Tochter Angela und deren quirligen Nachwuchs um sich gehabt hätte, wäre sie wohl an dem tragischen Verlust ihres Mannes zerbrochen. Die junge fröhliche Familie hatte sie auf andere Gedanken gebracht. Aber jetzt war alle Lebensfreude wie ausgelöscht. Als hätte Gott eine zweite, viel robustere, heller leuchtende Kerze auch noch ausgeblasen.
    Ihre junge, strahlende Tochter, dem Tod näher als dem Leben?
    Bewegungslos, sprachlos, hilflos?
    Es fiel ihr sichtlich schwer, die Worte ihres Schwiegersohns in einen logischen Zusammenhang bringen.
    Angela war stark und selbstbewusst. Seit sie mit dem sechzehn Jahre älteren Röhrdanz zusammen war, war sie

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