Der Mann, der zweimal starb Kommissar Morry
will ich ja gar nicht. Es ist mir sogar lieber. Bei dir ist es sicher weit gemütlicher als in der Villa Calvin.“
Sie tranken Sekt und Liköre und blieben bis kurz vor Mitternacht. Mit einer ganzen Menge Alkohol im Blut traten sie schließlich den Heimweg an. Arm in Arm gingen sie durch den Regen. Reginald York zeigte sich verliebt wie ein Junge.
„Wir werden demnächst eine Reise machen“, sprudelte es aus ihm hervor. „Eine Reise ins Ausland. Nach dem Süden, wo es keine Nebel gibt.“
„Hast du soviel Geld?“ fragte Lucy Fox ihn zweifelnd.
„Das wird sich finden“, brummte Reginald York zuversichtlich. „Wenn meine Pläne klappen, wirst du dich nicht zu beklagen brauchen.“
Sie blieben stehen. Vor ihnen lag das kleine Boardinghouse, in dem Lucy Fox wohnte. Es war ein primitiver Kasten mit kleinen Fenstern und schiefem Dach. Die Tür stand offen. Sie brauchten nur einzutreten.
Lucy Fox machte Licht. „Geh leise“, raunte sie. „Die anderen brauchen nicht zu wissen, daß ich Besuch mitbringe. Der Nachtportier ist ein ekelhafter Kerl. Er will mir immer etwas ans Zeug flicken.“
Sie hatten kaum die ersten Stufen der steilen Treppe hinter sich, da bellte ihnen aus einer offenen Tür im Erdgeschoß eine wütende Stimme nach.
„Gratuliere, Miß Fox!“ keifte der aufgebrachte Portier. „Das ist schon ihr zehnter Freund in diesem Jahr. Wenn das Dutzend voll ist, fliegen Sie. Haben Sie mich verstanden?“
Lucy Fox zog Reginald York hastig mit sich fort. „Der Mann ist nicht ganz bei klarem Verstand“, zischelte sie. „Man darf seine Worte nicht ernst nehmen. Ich habe noch nie einen Mann mit hierhergebracht. Das sind dummdreiste Lügen von dem Alten.“
Sie erreichten den zweiten Stock und traten in das kleine Zimmer ein, das Lucy Fox ihr eigen nannte. Es ging etwas eng zu, aber die Einrichtung wirkte doch recht nett und freundlich. Es gab eine breite Schlafcouch, zwei Polstersessel, und auch ein Fernsehschrank fehlte nicht.
„Leider ist das Programm schon zu Ende“, sagte Lucy Fox. „Aber das schadet nichts. Ich kann dir etwas Besseres bieten. Mach das Licht aus!“
Sie hielt ihr Wort. Kein Film, kein Theaterstück besaß soviel Raffinesse wie Lucy Fox. Sie gab alles, was sie zu geben hatte. Reginald York kam vollkommen auf seine Kosten. Nur schade, daß das Schicksal gerade in diesen seligen Minuten einen besonders tückischen Streich gegen sie plante. Es begann mit einer merkwürdigen Unruhe im Haus. Türen klappten auf und zu. Leises Stimmengemurmel klang die Treppe hinauf.
„Was ist das?“ fragte Reginald York mißtrauisch.
Lucy Fox löste sich hastig aus seiner Umarmung. „Ich weiß auch nicht, was los ist“, murmelte sie beklommen. „Vielleicht hat dieser dämliche Portier wieder Unsinn gemacht.“
Es dauerte nicht lange, da klopfte es an der Tür. „Aufmachen!“ befahl eine barsche Stimme. „Sittenpolizei!“
„Da haben wir den Salat“, fauchte Lucy Fox zornig. „Das hat uns noch gefehlt. Sie werden uns zum Revier schleppen. Ich kenne das. Habe es schon ein paarmal mitgemacht.“
„Wieso?“ fragte Reginald York stirnrunzelnd. „Ich dachte, es war noch nie ein Mann in diesem Zimmer?“
Lucy Fox hatte im Moment keine Zeit, solche Fragen zu beantworten. Sie warf die roten Locken zurück und öffnete die Tür. Aus großen Kinderaugen blickte sie unschuldig auf die Beamten. „Na“, meinte sie treuherzig. „Was soll’s, meine Herren? Haben Sie nichts Besseres zu tun, als anständigen Mädchen die Nachtruhe zu stehlen?“
Die Beamten warfen einen neugierigen Blick in das Zimmer. Sie entdeckten Reginald York, der sich schamhaft unter der Bettdecke verkroch. Es war nur noch sein Haarschopf zu sehen.
„He, Sie da!“ knurrte der Streifenführer. „Machen Sie kein Theater! Stehen Sie auf. Zeigen Sie Ihre Papiere!“
Reginald York zerdrückte ein paar wütende Flüche zwischen den Zähnen. Er kletterte von dem molligen Lager herunter und begann, sich in dem schmalen Winkel hinter der Tür anzuziehen.
„Ihre Papiere, bitte!“ schnarrten die Beamten ungeduldig. Reginald York reichte seinen Paß durch den Türspalt. Zum ersten Male in seinem Leben wurde er wie ein ganz gemeiner Strolch behandelt. In fieberhafter Eile zog er seine Schuhe an. Dann band er seinen Selbstbinder um. Seine Verliebtheit war einer jähen Ernüchterung gewichen.
„Danke!“ schnarrte eine Stimme durch die Tür. „Der Paß geht in Ordnung. Sie können hierbleiben, Sir. Die Dame allerdings
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