Der Mann, der's wert ist
Benedikt
entdeckte an der Rezeption eine altertümliche Schelle und schellte. Schließlich
kam eine ältere Frau, ohne uns zu grüßen fragte sie: »Wollen Sie hier
übernachten? Dann müssen Sie warten.«
»Wir wollen zu Herrn Berger«,
sagte Benedikt.
»Dann müssen Sie noch mal
klingeln«, sagte die Frau und wartete mit uns.
Und dann kam Rufus. Er trug einen
Eimer und sah so unglückselig aus, wie er eben aussieht, obwohl er eindeutig
hocherfreut war, uns zu sehen. »Meine Kochkollegin Viola! Wie schön!« Ich
befürchtete, er wollte mich sogar mit Küßchen begrüßen, aber gottseidank
unterließ er das. Ich beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Benedikt
Deppenpony, Augenbraue, Schnurrbart, Backenflusen und Bartgirlande von Rufus
musterte und heimlich lächelte, aber er ließ sich natürlich nichts anmerken.
Rufus erzählte sofort, er hätte bereits mit der Chefin telefoniert, und sie sei
bereit, sechzehn Mark Stundenlohn zu zahlen, und ob ich damit einverstanden
wäre. Und sie hätten zwar wenig Gäste zur Zeit, aber zuviel Arbeit. Er deutete
auf die ältere Frau, die vor dem Holzverschlag stand. »Das ist Frau Hedderich,
sie und ihr Mann arbeiten schon seit Jahren hier.«
»Mein Mann ist nur nachts
hier«, sagte Frau Hedderich, »der kann nachts nicht schlafen, weil er’s mit der
Prostata hat.«
Ich wußte nicht, wie ich darauf
reagieren sollte, Rufus nickte Frau Hedderich freundlich zu, also nickte ich
ihr auch freundlich zu.
»Ich find’s okay«, sagte
Benedikt, »aber du mußt selbst entscheiden.«
Ich war froh, daß Benedikt
Rufus so deutlich sagte, daß ich meine Entscheidungen allein treffe. »Ja«,
sagte ich, »ich fange Montag an.«
»Wunderbar«, rief Rufus.
»Direkt um die Ecke ist eine Bushaltestelle, das ist deine Linie.«
Er ist wirklich sehr
fürsorglich, dachte ich. »Ist am Montag die Chefin da?«
»Wahrscheinlich kommt sie erst
Mittwoch, die Chefin kommt normalerweise nur mittwochs«, sagte Rufus. »Aber ich
kann alles regeln. Das ist alles unproblematisch, ich weiß ja aus dem Kochkurs,
daß du ordentlich und sauber arbeitest.«
»Ich bin die Chefin hier, wenn
die Chefin nicht hier ist«, sagte Frau Hedderich grinsend, »um wieviel Uhr
fangen Sie an?«
»Wenn ich dich zur
Bushaltestelle mitnehmen soll«, sagte Benedikt, »dann könntest du auch um neun
anfangen.«
»Das ist gut«, sagte ich
schnell und versuchte, meine Enttäuschung zu verbergen, denn eigentlich hatte
ich gedacht, Benedikt würde mich nun jeden Morgen vors Hotel fahren. Aber
natürlich war das kindisch, für Benedikt wäre es eine Höllenstrafe gewesen,
wegen meines Putzfrauenjobs jeden Morgen eine halbe Stunde früher aufzustehen.
»Also, bis Montag um neun.«
»Vielen Dank«, sagte Rufus.
Frau Hedderich war bereits
ebenso grußlos verschwunden, wie sie gekommen war.
»Komischer Laden«, sagte
Benedikt, als wir draußen waren, »aber streßfreie Atmosphäre. Mir würde es auch
reichen, wenn der Faber nur mittwochs kommt.«
Zur Feier meines ersten Jobs in
der neuen Heimat kaufte ich mir ein schneeweißes Sweatshirt, das würde ich
Montag anziehen, damit alle gleich sehen konnten, wie sauber ich bin.
Merkwürdig, vor einem halben Jahr hätte ich nie geglaubt, daß ich mich so
freuen könnte über einen Job als Putzfrau. Aber wenn man mit Putzen Geld
verdient, dann ist man eben kein Putzteufel mehr, sondern eine Frau, die weiß,
was Männer wünschen.
Nur vor Nora mußte es geheim
bleiben. Aber als mich Benedikt am Montagmorgen im kaviarschwarzen BMW zur
Bushaltestelle brachte und ich mit meiner Luxusboutique-Tüte ausstieg und
Benedikt das Fenster auf der Beifahrerseite automatisch runterließ und
rausrief: »Schönen Tag in der Stadt, Herzchen!«, da war sogar ich überzeugt,
daß ich ein Luxusfrauchen bin, das zum Shopping geht.
Und prompt sagte ein Rentner an
der Haltestelle zu mir: »Na, hat der Herr Gemahl wieder die Kreditkarte
freigegeben?«
Ich nickte lächelnd.
Gleich faßte er mich am Arm.
Das fand ich frech. Schließlich war es nicht seine Kreditkarte, die ich
angeblich hatte.
44. Kapitel
»Hotel Harmonie begrüßt seine
neue Mitarbeiterin Viola Faber sehr herzlich!« las ich erstaunt auf einer
Karte, die, an einem bunten Blumenstrauß gelehnt, auf der Theke der Rezeption
stand.
Wie rührend. Ich klingelte nach
Rufus.
Er war begeistert, mich schon
zehn vor neun zu sehen. »Nimm Platz«, sagte er und führte mich zu der häßlichen
weinroten Polstergarnitur hinter dem Verschlag in
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