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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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Am allerliebsten wären ihr die Gäste, die zu Beerdigungen anreisen, die
machen am wenigsten Dreck, weil sie die ganze Zeit weg sind und nicht betrunken
ins Hotel zurückkommen. Den meisten Dreck würden Dauermieter machen, die würden
sich richtig häuslich einrichten, aber bei denen müsse man nicht soviel putzen,
weil die zum Sonderrabatt wohnen. In der ersten Etage, in der Nummer 3, wohne
seit Monaten ein Ingenieur und in der 14 ein Facharbeiter auf Montage, und in
der 23 oben ein armer Hund, dem die Eigentumswohnung durch eigenes Verschulden
ausgebrannt sei, und jetzt sei er dauernd besoffen. »Jeden Tag eine
Schnapsflasche im Papierkorb. Er wickelt die leeren Flaschen in Tüten, aber uns
kann er nichts vormachen.« Und bei den Dauermietern müsse man die Wäsche nur
einmal pro Woche wechseln.
    Es klopfte an die Tür. Es war
ein Mann, verärgert drückte er mir eine leere Klopapierpapphülse in die Hand:
»Bringen Sie mir neues!« Dann war er weg.
    »Der ist aus Nummer 9«, sagte
Frau Hedderich. »Querulanten gibt es immer. Mit denen muß man fertig werden.«
    Ich holte aus dem
Putz-Badezimmer Klopapier, fand Zimmer 9 und klopfte.
    »Kommen Sie rein.«
    Überraschenderweise war Zimmer
9 riesig. Mindestens dreimal so groß wie Zimmer 12. Schöner war es allerdings
nicht. Grünlich verblichene Tapete. Ein gammelbrauner Teppich verdeckte nur teilweise
das Linoleum. An der rechten Wand ein Doppelbett, links noch ein Bett. Das
Zimmer hatte sogar zwei Fenster, das linke war eine Balkontür, man sah zur
Straße hinaus. Zwischen den Fenstern stand ein Tisch mit vier Stühlen, die
nicht zusammenpaßten. Die Krönung der Einrichtung war eine Wohnzimmervitrine,
ein Ding wie in Noras Wohnzimmer, aber hier war dieses Möbel noch
überflüssiger, deshalb hatte man die Glasscheiben und die Zwischenböden der
Vitrine entfernt und einen Fernseher reingestellt!
    Das Bad war altmodisch, aber
recht schön, weiß gekachelt mit einem schwarzen Abschlußfries und einem
schwarzweiß gewürfelten Fußboden.
    »Wünschen Sie sonst was?«
fragte ich so freundlich, wie ich mir das ideale Zimmermädchen vorstellte,
nachdem ich das Klopapier in den Klopapierhalter gehängt hatte.
    »Hier, das ist für Sie«, sagte
der Mann und gab mir fünf Mark Trinkgeld!
    Super! Vor Freude hätte ich
fast einen Zimmermädchenknicks gemacht. Das erste Trinkgeld meines Lebens. Es
war überhaupt nicht demütigend, Trinkgeld zu bekommen. Jedenfalls nicht, wenn
es gleich fünf Mark sind.
    Stolz erzählte ich Frau
Hedderich von meinem Trinkgeld. »Vom Trinkgeld kann hier keiner leben«, sagte
sie. Und sie könnte auch mehr Trinkgeld bekommen, wenn sie den ganzen Tag für
die Leute rumrennen würde, aber dann würde sie nie fertig mit der Arbeit, und
jetzt müßte sie dringend gehen, für ihren Mann Essen kochen. Und ich sollte
hier staubsaugen und dann in Nummer 16. »Ich schließ Ihnen auf.«
    Ich folgte ihr in Zimmer 16, es
lag hinter dem Aufzug. Wieder ein Einzelzimmer, etwa 2,50 Meter lang, 4 Meter
breit, außer einem Bett standen drei Schränke drin, einer billigstes
Limbafurnier, der andere undefinierbar dunkelbraun, der dritte ein grauer
Kasernenspind, und in all der Enge ein Tisch mit drei verschiedenen Stühlen.
    Frau Hedderich riß die
Fenstertür auf: »Wenn es in den Zimmern stinkt, müssen Sie lüften.«
    Ich folgte ihr hinaus auf den
Balkon, hier, auf der Rückseite des Hauses, hatten nur die mittleren Zimmer
Balkon. Frau Hedderich zeigte hinüber auf ein zweistöckiges Hinterhaus: »Da
wohnen mein Mann und ich. Wir gehören praktisch zum Haus. Sonst könnten wir
hier gar nicht soviel arbeiten. Auch unser Schwiegersohn hilft manchmal am
Wochenende aus. Ich muß jetzt gehen, mein Mann wartet. Alles andere steht auf
Ihrem Tagesplan.« Sie tuckerte mit dem Fahrstuhl ab.
    Ich war fast fertig mit
Staubsaugen in Zimmer 16, als Rufus kam, mit einem Tablett, darauf ein Kännchen
Kaffee, ein Streuselkuchen und ein Teller, auf dem ein Schlüssel lag.
    »Damit du nicht an deinem
ersten Tag bei uns verhungerst.«
    »Vielen Dank, das ist nett. Und
was ist mit dem Schlüssel?«
    »Das ist ein Generalschlüssel
für alle Zimmer. Aber bitte immer erst anklopfen, ehe du ein Zimmer
aufschließt.«
    »Klar.«
    »Entschuldigung, du weißt das natürlich,
aber wir hatten hier schon Trampel zur Aushilfe, die haben staubgesaugt,
während die Gäste im Bett lagen und schliefen.« Er seufzte. »Und den Schlüssel
bitte immer mir geben, wenn du gehst. Bitte nicht

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