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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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Zimmermädchen ist
nur ein schöneres Wort für Putzfrau. Würden Nora und Mercedes oder Angela
erfahren, daß ich als Putzfrau arbeite — das wäre mein gesellschaftlicher Ruin.
    Dann sah ich Rufus an und
dachte, daß ich vor Schreck tot umfallen würde, wenn ich diesem Typen mit der
finsteren Augenbraue nachts auf einem Hotelflur begegnen würde. Aber so als
Mensch war er ganz nett. Ich beschloß, ihn nicht mehr Frankensteins Enkel zu
nennen.
    »Falls es dich wirklich
interessiert«, sagte Frankensteins Enkel — also Rufus — und schrieb die Adresse
und eine Telefonnummer auf einen Bierdeckel. Und falls er nicht an der Rezeption
sei, solle ich Herrn Berger verlangen. Das sei er, Rufus Berger. »Und das Hotel
heißt Harmonie.«
    »Ich würd’s machen«, sagte
Tanja.
    Ich war mir nicht so sicher:
»Ich werd mal mit meinem Freund drüber reden.«
     
    Überraschenderweise fand
Benedikt die Idee sehr gut. Nora könnte ich doch einfach sagen, ich ginge
Shopping oder würde Freunde treffen. Angela würde mich in dem Hotel bestimmt
nie zu sehen bekommen. Und falls ich jemand sagen müsse, daß ich in dem Hotel
arbeite, solle ich sagen, ich sei dort Hausdame. Das höre sich doch toll an.
Und es sei besser, wenn ich etwas Richtiges mache, statt nur zu Hause
rumzusitzen.
    Einen Augenblick dachte ich
traurig, daß auch für Benedikt nur das richtig ist, wofür man richtig bezahlt
wird. Aber so hatte er es natürlich nicht gemeint. »Gleich morgen früh fahr ich
dich zu diesem Hotel Harmonie, wir sehn uns die Sache an, dann entscheiden
wir.«
     
     
     

43. Kapitel
     
    Es war toll, wie wir vor dem
Hotel vorfuhren, mit quietschenden Bremsen, wie Benedikt die Wagentür aufriß:
»Bitte sehr, gnä’ Frau«, und in Richtung Hoteleingang rief: »Hier kommt das
neue Zimmermädchen — wo ist der rote Teppich?«
    Es sah und hörte uns aber
niemand. Und das Hotel sah nicht so aus, als besitze es überhaupt einen roten
Teppich.
    Es war um die Jahrhundertwende
gebaut, kein besonders großes Haus, für ein Hotel eher klein. Vier Stockwerke
und ein Dachgeschoß. Pro Stockwerk fünf Fenster, das mittlere jeweils mit einem
großen geschwungenen Balkon, vor den Fenstern links und rechts außen
Minibalkone, auf die man höchstens einen Stuhl stellen konnte. Der ursprünglich
rotbraune Sandsteinsockel und die Fenstereinfassungen waren dunkelbraun
gestrichen, die ganze Fassade in einem nur wenig helleren Braun. Wenn man
genauer hinsah, waren die Balkonumrandungen üppige schmiedeeiserne Rankengitter
mit Blattmotiven, aber wenn man nicht so genau hinsah, waren sie nur klobige
Kästen, braun wie der Verputz. Alles hatte die typische Düsterkeit, die
Malermeister als schmutzunempfindlich preisen und insgeheim deshalb empfehlen,
weil man an dunklen Fassaden besser sieht, wenn der Putz abbröckelt, und das
ist der beste Beweis, daß wieder ein Anstrich fällig ist. Bei diesem Hotel war
das Ziel des Malermeisters längst erreicht, überall war die braune Farbe
abgeplatzt, der graue Unterputz zu sehen. Es wirkte recht verrottet.
    Die beiden großen Schaufenster
im Erdgeschoß waren eindeutig später eingebaut, wahrscheinlich in den sechziger
Jahren. In beiden Schaufenstern hing ein Neonkasten, darauf stand in
Sechziger-Jahre-Pinselschrift >Hotel Harmonien Ansonsten waren durchs
Fenster nur dunkle Holzpaneele zu sehen, davor standen mehrere Töpfe einer
trotz allem wachsenden Kriechpflanze — pro Topf ein einziger, endloser,
gewundener Stengel mit gelb-grün-weiß gesprenkelten Blättern. Die Stengel waren
mit Nägeln an den Paneelen befestigt, wie ausgeleierte Spiralfedern hin und her
drapiert, als bestünde Hoffnung, eines Tages könnte das gesamte Hotel von den
Kriechpflanzen bedeckt sein.
    Drinnen sah es nicht besser
aus. Ein hoher, trüber Raum, nur von einer runden Neonröhre ausgefunzelt. Vor
dem rechten Schaufenster war die Rezeption, eine abgewetzte Holztheke. Links
hinten, auf dem an mehreren Stellen durchgelaufenen, dunkelgrünen Linoleum,
standen ein abgewetztes weinrotes Sofa, drei alte Polstersessel und ein Tisch.
Das linke Schaufenster war zugestellt durch eine Art Koje aus zwei Meter hohen,
dunklen Holzpaneelen. An den Wänden Plakate von Ausstellungen, die lange vorbei
waren, Fahrpläne von Zügen und öffentlichen Verkehrsmitteln und ein Stadtplan
mit einem großen Fettfleck, der vermutlich da war, wo sich das Hotel befand.
Hinten im Dustern ein uralter Aufzug mit eisernen Gittern.
     
    Niemand war zu sehen.

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