Der Mann, der's wert ist
Vorstellungen von Eleganz schwieg ich. Gehörte er zu jenen Männern,
die verlangen, daß ihre Frauen ständig topelegant herumstöckeln, und sie selbst
laufen rum wie die Vogelscheuchen? Glaubte er etwa, er hätte so bedeutende
innere Werte, daß er es nicht nötig habe, äußere Werte zu zeigen?
Und Tanja hatte gesagt, als
Gast hätte man hier Angst, sich einen Floh oder einen Virus zu holen.
»So schmutzig ist es nicht«,
widersprach ich, die Putzfrau. »Tanja hat absolut recht. Auch wenn ein Gast bei
sich zu Hause schlampig und schmutzig ist, im Hotel muß es penibel sauber sein.
Wir werden auf jeden Fall eine weitere Putzkraft einstellen.«
»Gute Idee«, sagte ich, das
konnte wirklich nicht schaden. »Natürlich können wir nicht mehr Personal
bezahlen, ohne die Preise zu erhöhen, und für ein Hotel wie dieses gibt es enge
Preislimits. Und Tanja sagt, wenn ich weiter halbherzig den Geschäftsführer
spiele, würde ich mein Leben verplempern. Also habe ich beschlossen, mein Leben
zu ändern. Und deshalb muß hier alles anders werden.« Er lächelte heftig in
Erinnerung an die großartige Tanja. Vermutlich war er von seinem After Shave
berauscht.
»Wenn hier mehr geputzt werden
soll, dann will ich gleich anfangen«, sagte ich, aber Rufus hatte seinen
Lobgesang auf Tanja noch nicht beendet.
»Tanja sagt, es gibt derzeit
für die Renovierung von Gewerberäumen optimale Kreditkonditionen. Und man
sollte aus dem Hotel was machen. Tanja ist Bankkauffrau, die weiß, wie man so
was anpackt.«
In mir keimte das Mißtrauen
gegen Leute, die übers Wochenende ihre Meinung ändern. Freitag hatte Rufus noch
gesagt, er wartet, bis alles zusammenbricht, dann verläßt er die Szene. »Und
Tanja macht auch die Gestaltung und alles?« In mir keimte auch der Neid.
»Das könntest du machen, haben
wir beschlossen, du bist ja Innenarchitektin.«
Nein, es gefiel mir gar nicht,
wie er das sagte. Da lebte dieser Rufus seit einem Jahr in dieser Bruchbude,
weigert sich, nur das Geringste zu ändern, und dann lächelt ihn Tanja nett an,
und schon soll alles anders werden. Und daß ich als Innenarchitektin dabei
mitwirken dürfe, das sagte er so dahin, wie alle Leute, die glauben, das könne
man nebenher machen. Und diese Leute sagen auch immer, daß das doch wahnsinnig
Spaß macht, und damit meinen sie, das wäre keine Arbeit, die bezahlt werden
müßte. Und weil nichts bezahlt wird, darf auch noch jeder reinquatschen, und
das Resultat ist eine Katastrophe aus Kompromissen. »Hat dir Tanja auch gesagt,
was das kosten würde?«
»Sie wird jetzt Kreditangebote
ausarbeiten. Ich brauche eine Basis, um mit der Chefin drüber zu reden. Das ist
das Entscheidende.«
»Dann viel Glück.« Ich überließ
Rufus seinen Träumen von der eleganten Tanja, die sein Leben ändern wollte.
Vom Jaulen des Staubsaugers betäubt,
versank ich ins Grübeln über die Tragödie meines Berufs. All diese
selbsternannten Innenarchitekten können nur Räume gestalten, die mindestens
hundert Quadratmeter groß sind — da stellen sie zwei edle Möbel auf einen edlen
Fußboden und loben sich, daß das gut aussieht. Das kann jeder. Aber in einem
Hotelzimmer muß alles auf engstem Raum funktionieren. Und wenn Amateure so was
machen, wird es viel teurer: Amateure bezahlen Unsummen für einen Teppichboden,
wenn er nur den gleichen Farbton hat wie ihr Vorhang. Bei den reichen Amateuren
muß immer alles aussehen wie aus dem gleichen Farbkübel gezogen, nur dann sind
sie sicher, daß es zusammenpaßt. Der Effekt sind Räume, die so unpersönlich
wirken wie aus einem Möbelkatalog. So würde es wahrscheinlich Tanja machen. Und
die ganz geschmacklosen Amateure von Rufus’ Sorte stellen die Räume mit braunem
Zeug voll, damit es gemütlich wird. Braune Möbel, braune Teppiche, beigebraune
Tapeten — und dann wundern sie sich, daß man Platzangst bekommt und zwischen
all dem braunen Zeug das Gefühl hat, man sei ins Klo gefallen.
Ich stellte den Staubsauger ab,
um in Ruhe nachdenken zu können. Falls dieses Projekt wahr werden würde, dann
müßte man es richtig machen, nicht laienhaft nebenbei. Und ich könnte es
richtig machen mit Benedikts und mit Onkel Georgs Hilfe. Würde mich Onkel Georg
als projektleitende Innenarchitektin einstellen, dann hätte ich die Garantie,
als Innenarchitektin ernstgenommen und bezahlt zu werden. Und für Frau
Schnappensiep würde sich das auch lohnen: Über Onkel Georg hätte ich die besten
Handwerker, die besten Einkaufsquellen und
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