Der Mann, der's wert ist
Gefühl hatte, sie bemitleideten mich. Also sagte ich um so
munterer, daß es mir wahnsinnig gut geht. Und das stimmte total, jedenfalls
heute. Angela war nicht da.
»Sie mußte zum Friseur, neue
Dauerwellen machen lassen«, sagte Detlef affig wie Angela, »oder zur Maniküre,
weil ihr ein Fingernägelchen abgebrochen ist.«
»Nein, ich glaube, ihr neues
BMWchen hat ein Wehwehchen«, sagte Herr Wöltje.
Ich mußte lachen, aber niemand
sonst lachte.
Punkt vier führte Benedikt mich
in Onkel Georgs Büro. Ein Riesenbüro. An allen Wänden gerahmte Fotos von seinen
Großprojekten. Es war eindrucksvoll und sah sogar künstlerisch aus, weil es
alles Aufnahmen von Architekturmodellen waren. »Willkommen, Viola«, rief Onkel
Georg, »man sieht dir an, daß es dir blendend geht. Und wie ich höre, hast du
dich blendend hier eingelebt.«
Onkel Georg wollte zunächst
genau über das Projekt und die Auftraggeber von mir informiert werden. Dann
betrachtete er lange die Pläne. »Baujahr 1902, scheint mir sehr solide gebaut.
Hübsches Gebäude.«
»Es ist nur ein kleines Hotel«,
sagte Benedikt.
»Ich sehe, wie groß es ist«,
sagte Onkel Georg. »Ein Hotel ist immer ein interessantes Projekt. Außerdem
sollten wir uns im Bereich der Altbausanierung stärker engagieren, da wird in
den nächsten Jahren viel zu tun sein.« Er setzte sich an seinen Riesenschreibtisch,
faltete die Hände und sagte: »Also, wir liefern der Hotelbesitzerin zuerst eine
Grob-Kalkulation mit Skizzen und Rohentwürfen, damit sie sieht, was wir uns
vorstellen würden. Das machen wir in diesem Fall selbstverständlich kostenlos.«
Ich nickte glücklich in Richtung Benedikt. Das war genau das, was ich gehofft
hatte! Großartig, wie lässig Onkel Georg Benedikts Bedenken vom Tisch wischte.
»Allerdings ist zu bedenken«,
sagte Onkel Georg, »daß in alten Gebäuden manchmal tückische Mängel versteckt
sind — verrottete Leitungen, Risse in den Wänden, in den Balkonen, Feuchtigkeit
im Fundament —, wenn da saniert werden muß, wird es aufwendig. Das könnten wir
nicht als kostenlose Vorleistung kalkulieren.« Ersah wieder auf die Pläne.
»Hier wurden vor zwanzig Jahren einige Duschen eingebaut, gehen wir davon aus,
daß damals auch das Sanitärsystem in Ordnung gebracht wurde. Aber man sollte
das prüfen.«
Benedikt sagte: »Ich hab mir
das Hotel bereits angesehen. Die Bausubstanz scheint gut, aber die Zimmer haben
teilweise keine Duschen, kein Bad, da müßte eine moderne Struktur rein.«
»Ja.« Onkel Georg nahm den Plan
vom Dachgeschoß und fragte: »Soll das Dach ausgebaut werden?«
Weil es mir peinlich war, daß
ich das nicht wußte, sagte ich schnell: »Da wohnt nur der Geschäftsführer, Herr
Berger.«
»Sollte man ausbauen«, sagte
Onkel Georg, »für Dachausbauten gibt es derzeit extra günstige Konditionen.«
Benedikt zeigte mit gerunzelter
Stirn auf den Plan vom Erdgeschoß: »Der Aufzug, in der hinteren Mitte des Foyers,
ist immense Platzverschwendung.«
»Typisch für die
Jahrhundertwende«, sagte Onkel Georg, »als dieses Haus gebaut wurde, war der
Fahrstuhl die Attraktion, deshalb wurde er in den Mittelpunkt gebaut. Und da
muß er auch bleiben.« Onkel Georg schob die Pläne über seinen
Riesenschreibtisch zu Benedikt. »Also, dann machen Sie mal.«
»Wann soll ich das machen?«
»Das machen Sie nebenbei«,
sagte Onkel Georg, »ich gebe Ihnen vierzig Arbeitsstunden, damit ist das zu
schaffen.«
»Vor Ostern geht gar nichts
mehr.«
»Ostern ist erst in fünf
Wochen, das schaffen Sie.«
Onkel Georg ist nicht so lässig
wie er wirkt, dachte ich, er duldet keinen Widerspruch. Trotzdem nahm ich allen
Mut zusammen: »Vielleicht könnte ich dabei mithelfen, als Innenarchitektin?«
Mit Entsetzen merkte ich, daß meine Stimme verzweifelt klang. Glücklicherweise
kam mir Benedikt zur Hilfe. »Das ist Violas Herzenswunsch«, sagte er lachend.
»Sicher«, sagte Onkel Georg,
»schön, daß du ein bißchen in deinem Metier arbeiten willst.«
»Die Besitzerin hat mir gesagt,
sie wünscht ein Hotel mit elegantem Flair«, sagte ich aufgeregt, um Onkel Georg
zu zeigen, daß ich mich mit dem Projekt schon beschäftigt hatte.
Als wolle er mir zeigen, daß er
nachdachte, kratzte sich Onkel Georg am Kopf, schließlich sagte er: »Wir machen
jetzt zuerst die architektonische Lösung. Das heißt: Ich gehe davon aus, daß
jedes Zimmer Dusche, Bad, WC bekommt, und wir machen Vorschläge für den
Dachausbau. Und wenn wir den Auftrag bekommen,
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