Der Mann, der's wert ist
Was sollte
ich tun, wenn der Mann aus Zimmer 4 mich als Putzfrau enttarnte? Konnte ich es
überhaupt wagen, mitzugehen? Benedikt sagte, falls der Mann wirklich der aus
Zimmer 4 sei, was er immer noch stark bezweifle, und falls dieser Mann mich
wiedererkennen würde, solle ich einfach sagen, im Hotel arbeite ein
Zimmermädchen, das mir ähnlich sieht, aber ich sei dort unzweifelhaft als
Innenarchitektin tätig. Und er würde dem Herrn dann als Beweis in aller
Ausführlichkeit die architektonischen Möglichkeiten beim Hotelumbau erklären.
Das sei wirklich kein Problem, wenn ich keines daraus mache.
Vorsichtshalber beschloß ich
aber, mir Freitagabend eine andere Frisur zu machen, vielleicht die Haare ganz
straff zurückbinden? Oder vorher zum Friseur? Und ich würde mich ganz elegant
anziehen. So richtig mit Rock und Bluse. Und viel Makeup. Im Hotel hatte mich
der Mann nur als graue Maus gesehen...
53. Kapitel
Beim Putzen überlegte ich
unablässig, ob ich die Einrichtung eher witzig-modern gestalten sollte oder
beschwingt-antik? Designer-Stil und antik-exquisit kam nicht in Frage: viel zu
teuer. Am besten sind eigentlich moderne Elemente mit alten kombiniert. Aber
zuerst mußte Benedikts architektonische Lösung her.
Mittwochnachmittag ging ich in
Zimmer 12, das winzige Einzelzimmer im ersten Stock, ich hatte wie üblich
angeklopft, niemand hatte geantwortet, also ging ich rein, und da stand er am
Fenster: der Herzhallerliebste von Mercedes.
»Huch«, rief ich entsetzt, »ich
dachte, Sie sind verreist!«
»Ich bin verreist«, sagte er,
»sonst wär ich wohl nicht im Hotel. Sind Sie betrunken oder haben Sie Ihre
Tage?«
Nichts wie raus hier, dachte
ich. »Ich komme später wieder.«
»Halt! Hiergeblieben. Ich hab
extra auf Sie gewartet, ich sehe gern den Kammerkätzchen beim Putzen zu.«
Wenn er mich anfaßt, bringe ich
ihn um, dachte ich. Damit er mein Gesicht nicht länger sehen konnte, sah ich
stur auf den Boden.
»Suchen Sie was da unten?«
fragte er prompt.
»Vielleicht haben Sie wieder
Ihren Ehering verloren, den brauchen Sie sicher heute abend, wenn Sie Ihre
Freundin treffen.«
»Ihr Gedächtnis scheint ja noch
zu funktionieren«, sagte er, »keine Sorge, die Alte ist weg.«
»Weg?« Um ihn nicht ansehen zu
müssen, wischte ich die Kachelwand beim Waschbecken, obwohl sie sauber war.
»Die ist auf Dienstreise in
Frankreich. Da hockt sie drei Tage in einer dreckigen Stadt in einem stinkigen
Büro und übersetzt langweilige Akten über chemische Duftmittel.«
»Über Parfüms?« Ich hatte Mercedes
mal gefragt, was sie eigentlich übersetzt, aber sie hatte nur angeberisch
gesagt, sie arbeite in einem sehr spezialisierten Marktbereich, der ein
immenses Spezialwissen der Dolmetscher voraussetze.
Das Arschloch lachte blöde:
»Desinfektionsmittel-Duftstoffe macht die Firma, für die sie arbeitet, damit
Ihr zartes Näschen nicht zu sehr belästigt wird, wenn Sie mal Ihre Binde
vollhaben. Oder die Damenbindenkübel leeren. Tja, Geld stinkt nicht, und
irgendwie muß das alte Mädchen seine Brötchen verdienen.« Mercedes sollte mal
hören, wie ihr Herzallerliebster über sie redet! Ich stellte mir vor, sie würde
an der Tür lauschen und plötzlich reinplatzen: »Weiß Ihre Freundin, daß Sie
heute hier sind?«
»Meine Freundin, wie Sie sie
nennen, weiß überhaupt nie, daß ich hier bin. Die glaubt, ich wohne bei einer
alten Tante meiner kranken Frau. Die käme sonst ins Hotel und würde mich sogar
hier belästigen.«
»Gottseidank«, sagte ich
erleichtert, »das ist gut.« Da würde er sich morgen abend hüten, vor Mercedes
zu sagen, daß er mich als Putzfrau aus dem Hotel kennt.
»Das finden Sie gut?« fragte
das Arschloch. »Was haben Sie denn heute abend vor?«
»Ich gehe mit meinem Freund
weg«, sagte ich eisig.
»Einen Freund hat jede. Nur mit
dem Heiraten hapert’s ein bißchen. Das kennen wir.«
»Das Zimmer ist fertig.
Wiedersehn.«
»Moment, mein Fräulein«, er
kramte seinen Geldbeutel aus einer Tasche, die er hinterm Gürtel am Hosenbund
trug — zuerst dachte ich, er macht seine Hose auf — und legte einen
Zehnmarkschein auf den Nachttisch. »Jetzt dürfen Sie ‘ne schnelle Mark machen
mit ‘ner schnellen Nummer.«
Vor Wut blieb mir fast die Luft
weg. »Was fällt Ihnen ein!« schrie ich ihn an.
»Hören Sie, wenn Sie die Spröde
spielen, auf Sie bin ich nicht angewiesen. Es gibt genügend Frauen, die was
verdienen wollen. Marsch, raus! Und besorgen Sie mir
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