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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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Benedikt heute stehen, hätte
sein Vater ihn unterstützt, wie es die Pflicht eines Vaters ist? Plötzlich
machte sich Benedikt Gedanken über Erbanlagen. Je mehr er darüber nachdenke,
sagte Benedikt, desto mehr Gemeinsamkeiten entdecke er zwischen sich und seinem
Vater. Die möglichen Gemeinsamkeiten wollte er aber nicht diskutieren, sondern
meinte nur bitter, er denke wahrscheinlich nur deshalb über Erbanlagen nach,
weil es von seinem Vater sonst nichts zu erben gebe.
    Von diesen Problemen konnte ich
Rufus natürlich nichts erzählen, und Tanja schon gar nicht. Denn als ich
Benedikt erzählte, daß sich Tanjas Ex-Freund Detlef wieder bei Tanja gemeldet
hatte, hatte Benedikt ganz entschieden gebeten, daß ich nicht über ihn und
seine Arbeit tratsche, dann käme es über Rufus-Tanja-Detlef Angela zu Ohren und
schließlich seinem Chef. Verständlicherweise legte Benedikt null Wert drauf,
daß sein untergetauchter Vater im Büro diskutiert wurde.
    Also erzählte ich Tanja kein
Wort davon, als sie am Abend, ehe ich zu meinen Eltern fuhr, im Hotel
vorbeikam. Sie kam wieder von ihrem Juwelier und war hochzufrieden. Er hatte in
ihrem antiken Opalring den fehlenden Stein durch einen exakt passenden ergänzt,
genau wie die alten Steine geschliffen, es war kein Unterschied festzustellen.
Tanja hatte gleichzeitig eine Perlenkette hingebracht, die neu geknüpft werden
sollte. Und sie trug sich mit dem Gedanken, Ohrringe zu kaufen, vom Meister
persönlich entworfen.
    »Macht ihr über Ostern was
zusammen?« fragte ich.
    »Wer?«
    »Du und Rufus.«
    »Ach so. Ja. Vielleicht.«
     
     
     

60. Kapitel
     
    Benedikt brachte mich am
Karfreitag morgen zum Zug und fuhr dann sofort ins Büro. Bis Ostermontagabend
um elf, bis er mich wieder vom Bahnhof abholte, würde er jeden Tag zehn Stunden
reinklotzen, allein und konzentriert, und er würde es schaffen. »Ich rufe dich
an«, sagte Benedikt, »aber ich geh nicht ans Telefon im Büro.« Benedikt
befürchtete, möglicherweise rufe ein meckernwollender Bauherr an — oder, noch schlimmer,
mein Onkel, der mit der Familie Skifahren war, rufe aus Langeweile aus seinem
Feriendomizil an, um ihm, seinem Lakaien, zusätzliche Strafarbeiten
aufzubrummen. Benedikt schimpfte, daß mein Onkel über Ostern in Italien Ski
fährt, aber im Winter in der Karibik Badeurlaub macht. Die Reichen machen das
nur, um zu demonstrieren, daß sie es sich leisten können, weit wegzufahren. Und
während sein Chef Ski fuhr, mußte mein Benedikt schuften. »Ich tu es nur für
dich«, sagte er zum Abschied.
     
    Mein Vater holte mich vom Zug
ab. Er wollte noch mal genau wissen, worin meine Aufgaben als Hausdame
bestehen. Ich erzählte ihm hauptsächlich vom bevorstehenden Umbau, überreichte
ihm großspurig mehrere Visitenkarten vom Hotel, er solle uns weiterempfehlen,
demnächst sei das Hotel Harmonie ein großartiges Hotel.
    Er war zufrieden mit meinem
Bericht, schimpfte aber auch auf Onkel Georg, der ihm und mir offenbar zu
schnell zu viel versprochen hätte. Aber das große Projekt, das alles in den
nächsten Tagen grundlegend ändern würde, beruhigte ihn wieder.
    Der schönste Moment war der,
als ich meinem Vater das Geld zurückgab, das er für April überwiesen hatte. Den
Rest würde er demnächst bekommen. Das allein war das Putzfrauen-Dasein wert:
Ich fühlte mich erwachsen wie nie zuvor.
    Annabell hatte über Ostern
keine Zeit, bei den Eltern zu sein, sie hatte Besuch von einer andern
alleinerziehenden Mutter, einer »Freudensgenossin«, wie mein Vater lästerte.
Die Freudensgenossin gehörte zu Annabells Selbsthilfegruppe für Kindabhängige
und hatte einen Sohn, so alt wie Solveig. Annabell hätte gesagt, es sei für
Solveig wahnsinnig wichtig, mit dem Jungen zu spielen, Solveig brauche die
Erfahrung im Umgang mit Männern.
    Und Annabell hätte gesagt, ich solle
sie am Ostersonntagnachmittag besuchen, ich müsse unbedingt erleben, was für
eine ganz tolle Frau Solveig geworden sei. Mein Vater sagte, das sei die
neueste Macke von Annabell, Solveig als »Ganz tolle Frau« zu titulieren. Meine
Mutter sagte so ernsthaft, als hätte sie es in einem Oma-Fortbildungskurs
gelernt, das sei wichtig, denn damit zeige man dem Kind, daß man es als
gleichberechtigten Partner respektiert. »Die letzte Woche hatte die ganz tolle
Frau wieder ganz tolle Tobsuchtsanfälle wegen der Ostereier«, sagte mein Vater.
    Aber sogar mein Vater meinte,
daß die Selbsthilfegruppe für Kindabhängige eine sehr gute Einrichtung

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