Der Mann, der's wert ist
»Der Moritz ist nämlich ein ganz toller Mann.«
»Neulich hab ich gelesen, daß
schon Vierjährige eine Erektion haben könnten«, sagte Annabell halb
entschuldigend.
»Der Moritz hatte schon mit
zweieinhalb seinen ersten Ständer.«
Als sie in die Eisdiele
aufbrachen, wollte ich nicht mehr mitgehen, und niemand erhob den kleinsten
Einwand. Im Gegenteil — Annabell sagte nur: »Deinen Scheißhasen kannst du
wieder mitnehmen.«
Auf dem Heimweg drückte ich den
armen Hasen an mich und entwarf im Geist kindgemäßes Spielzeug. Eine
Plüschkeule mit langem Schwanz müßte es sein. Etwas, was sich die Kleinen
gegenseitig kindgemäß auf den Kopf hauen können. Eine Keule mit eingebauter
Elektronik, die bei jedem Schlag ein Geräusch von Mord und Totschlag von sich
gibt. Allerdings dürfte es nicht wie Kriegsspielzeug aussehen, da ist Annabell
dagegen. Es müßte eine getarnte Keule sein.
Dann hatte ich die Idee!
Absolut ideal wäre eine Keule, die aussieht wie ein millionenfach vergrößertes
Spermium! Nur ein massiver Kopf mit langem Schwanz. Aus rosa Plüsch. Eine
Keule, die bei jedem Schlag schrille Orgasmusschreie von sich gibt. Das wäre
wahnsinnig kindgemäß und pädagogisch wertvoll. Ich könnte ein Vermögen mit
Plüschspermien machen. Wenn man sich traut, kann man mit den einfachsten Ideen
reich werden!
Meine Mutter wollte den Chef
der Verkäuferin des Spielwarengeschäfts zur Rechenschaft ziehen.
Mein Vater schenkte den Hasen
mir.
61. Kapitel
Ostermontagnachmittag besuchte
ich Elisabeth. »Peter hat die Fotos vom Bankfilialen-Modell an neun große
Architekturbüros geschickt, und die Resonanz war reines Entzücken«, berichtete
sie. »Peter arbeitet bereits an einem Auftrag, eine Kirche, die zum Bürgerhaus
umgebaut wird. Ein Innenraummodell — es wird richtig beleuchtet, mit Glasfasern
als Spotlights. Das wird schöner als ein Weihnachtsbaum.«
Ich freute mich wahnsinnig, daß
Peter nicht mehr Lagerarbeiter sein muß!
»Und nächsten Monat, wenn ich
bei Hagen und von Müller aufgehört habe, bekommen wir schon den nächsten
Auftrag. Ein Architekt will das Modell seines Elternhauses von uns machen
lassen, eine Jugendstilvilla. Peter und ich tüfteln schon, wie wir ein
schiefergedecktes Dach machen, die fertigen Modellschieferdächer aus Plastik
sind uns zu häßlich. Wir könnten es aus schwarzem Fotokarton machen, jeden
Dachziegel einzeln.« Sie zeigte mir ein Stück Karton mit aufgeleimten
unregelmäßig ausgerissenen Kartonstreifen, obwohl es nicht so realistisch war
wie eine Plastikimitation, war es doch der perfektere Eindruck eines
Schieferdaches.
»Super!« sagte ich begeistert.
»Es ist ganz gut«, sagte
Elisabeth. »Das mache ich also ab nächsten Monat in unserem sogenannten Büro,
in Peters zweitem Zimmer. Und bald werden wir an dem Kahnweiler-Tisch arbeiten.
Nur für diesen Tisch hab ich sechs Monate lang als potentielles Heiratsmaterial
Kundschaft angelockt.«
Dann mußte ich die Neuigkeiten
aus meinem Leben berichten. Wir schwelgten in Ideen, was aus »meinem« Hotel zu
machen war. Endlich konnte ich mit jemandem richtig professionell alles
diskutieren!
Elisabeth brachte den
Vorschlag, im Foyer neben einer Sitzgruppe und Fernsehecke auch eine Bar
einzurichten, für jene Hotelgäste, die sonst den Abend einsam in ihrem Zimmer
verbringen müßten. Und wir waren uns sofort einig, daß das Haus weiß gestrichen
werden mußte, alles andere sieht wenig später billig und vergammelt aus. Und
die Balkongitter dunkelblau und die Blattornamente des Gitters mit Gold
akzentuiert. Weiß-Dunkelblau-Gold ist ein nobler Farbklang. Für die Hotelhalle
allerdings zu streng. Da mußte als Raumfarbe eine Pastellfarbe her. Ein
gelbliches Rokokorosa oder ein pastelliges Azurblau? Rokokorosa schafft eine
beschwingte Atmosphäre in großen Räumen und wirkt nicht kitschig, wenn es mit
Weiß und Grau kombiniert wird, sondern elegant und trotzdem gemütlich.
»Wenn man alle Zimmer gleich
einrichtet, wirkt das langweilig«, meinte Elisabeth, als wir auf dieses Problem
zu sprechen kamen.
Das fand ich auch. »Das ist ein
Konzept, das nur für internationale Hotelketten sinnvoll ist, für Gäste, die
wollen, daß ihr Hotelzimmer in San Francisco genauso aussieht wie das in
Frankfurt. Aber wer will das schon? Und im Hotel Harmonie sind sowieso alle
Zimmer unterschiedlich groß und unterschiedlich geschnitten.«
»Und wenn jedes Zimmer anders
eingerichtet wird, wird es auch viel billiger, weil ihr
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