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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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genau gewußt.«
    »Geht es wirklich nicht?«
    »Das ist der einzige Grund,
warum wir unseren Vater nicht schon Ostern treffen. Nur wegen des Entwurfs
mußten wir alles um eine Woche verschieben.«
     
    Sonntag beim Mittagessen sagte
Mercedes: »Ich fahre jetzt mit Thomas erst in der Woche nach Ostern weg. Ostern
klappt es nicht bei ihm. Wir fahren an die Nordsee. Thomas liebt die herbe
Landschaft dort.«
    »So ein Zufall«, sagte Benedikt
grinsend, »in der Woche nach Ostern fahr ich auch nach Norddeutschland. Der
Faber schickt mich auf ein Fortbildungsseminar.«
    »Wie schön, Kinder«, rief Nora,
»aber dann laßt ihr mich ja ganz allein hier!«
    »Ich bleibe hier«, sagte ich.
Es war überflüssig, das zu sagen, ob ich da war oder nicht, machte für Nora keinen
Unterschied. Wenigstens blieb mir die Schadenfreude, daß sie keine Ahnung
hatte, was hier gespielt wurde.
    Zuerst wollte ich meinen Besuch
bei den Eltern ebenfalls auf die Woche nach Ostern verschieben. Ich hätte
schrecklich gern mit Benedikt zusammen den Entwurf gezeichnet und alles
berechnet, aber Benedikt meinte, es sei unmöglich, daß er Firmenfremde ins Büro
mitnimmt. Sicher hätte mein Onkel in meinem Fall nichts dagegen, aber die
Kollegen würden ihm bei der nächstbesten Gelegenheit unterstellen, daß er es
auch sonst mit den Firmengeheimnissen nicht so genau nehme. Und bei uns zu
Hause konnten wir die Entwürfe nicht machen. Man brauchte einen richtigen
Zeichentisch, einen Fotokopierer, und Nora hätte auch gestört. Außerdem, würde
ich erst eine Woche später fahren, würde ich unseren vorletzten Kochkursabend
versäumen. Diesen Freitag und nächsten Freitag fiel er aus, weil die Schule
wegen Osterferien geschlossen war. Und ich hatte schon Elisabeth angerufen und
meinen Besuch für Ostermontag angekündigt - also würde ich eben dieses Mal ohne
Benedikt zu meinen Eltern fahren.
     
    Am Montag fing Carmen im Hotel
an. Ich durfte sie einarbeiten, und ich muß gestehen, ich fühlte mich ein
bißchen als ihre Chefin. Carmen redete sehr wenig, putzte aber sehr viel und
hörte ohne Pause Walkman. Sie legte sich in jedem Putzraum Kassetten und
Schokoriegel ins Regal. Mittags aß sie nichts als Eiscreme, die sie im
Kühlschrank stapelte. Rufus nannte sie zuerst >Miss Walkman<, dann
>Walkwoman<. Dabei blieb es.
    Frau Schnappensiep, die Carmen
begeistert gedankt hatte, daß sie dem Hotel Harmonie ihre Arbeitskraft zur
Verfügung stellte, hatte hinterher, erzählte Rufus, über Carmen gemeckert. Sie
sei ein »wiederkäuendes, musiksüchtiges Trampeltier ohne Bildung«. Aber Rufus
hatte seine Chefin darauf hingewiesen, daß man keine Bildung brauche, um in
ihrem Hotel zu putzen. Und er müsse mit Carmen zusammenarbeiten und nicht sie.
Damit sei Ruhe gewesen.
     
    In der Woche vor Ostern hatte
Benedikt die Entwürfe noch nicht in Angriff genommen, obwohl er eigentlich gar
nicht so viel zu tun hatte im Büro. Er sagte, so eilig sei es nicht, und
solange die Pläne in seinem Büro liegen, seien wir vor Konkurrenzangeboten
sicher, und je länger es dauern würde, desto weniger hätte Frau Schnappensiep
Lust, weitere Angebote einzuholen. Und Tanja solle sich nicht so aufspielen und
drängen, die Banken wollten Kredite verkaufen und sonst gar nichts. Und Rufus
als kleiner Angestellter hätte auch keine Forderungen zu stellen.
    — In Wahrheit drängte nur ich!
Denn Rufus sagte nur: »Warten wir ab.« Und Tanja sagte: »Das hat Zeit.
Steuerlich macht das keinen Unterschied, ob der Kredit jetzt oder am Jahresende
zugeteilt wird.« Auch Frau Schnappensiep sagte nichts. Nur ich hatte Angst, daß
sich alles ewig hinziehen würde. Aber als mir Benedikt mit Handschlag
versprach, die Entwürfe über Ostern fertig zu machen, im Büro jeden Tag zehn
Stunden daran zu arbeiten, beruhigte ich mich wieder. Und schließlich hatte
Onkel Georg auch gesagt, bis Ostern müsse der Entwurf fertig sein. Ganz
bestimmt, spätestens zwei Tage nach Ostern würden Frau Schnappensiep die
Entwürfe präsentiert.
    Der eigentliche Grund für
Benedikts Arbeitsunlust — obwohl Benedikt es nicht zugeben wollte — war das
bevorstehende Wiedersehen mit seinem Vater. Es beschäftigte ihn sehr. Benedikt
sagte, er sei sauer auf seinen Vater. Einmal sagte er, es lohne sich nicht
hinzufahren, ließ sich das aber schnell wieder ausreden. Sein Problem war, daß
er nicht wußte, wie er seinem Vater gegenübertreten sollte — als der erfolgreiche
Sohn, der es ohne Vater geschafft hat? Wo würde

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