Der Mann, der's wert ist
wiederzusehen, Dieter!«
Der Fahrstuhl tuckerte nach
oben, dann hörte ich Dieter Lehmann in seiner höflichen Art zu Rufus sagen:
»Auf Wiedersehen, Herr Berger.«
»Auf Wiedersehen, auf
Wiedersehn«, sagte Rufus eifrig.
Ich wagte mich aus dem
Verschlag hervor.
»Nanu«, sagte Rufus, »wo kommst
du denn her? Hast du etwa gelauscht? Ihn hab ich leider schlecht verstanden. Du
mußt mir genau erzählen, was er gesagt hat. War ja hochinteressant.«
»Ich wollte nicht lauschen. Ich
mußte mich verstecken, als ich Thomas Lehmann, also Dieter Lehmann kommen sah.
Wie kommt er überhaupt hierher?«
»Ich hab ihn bestellt. Die
Chefin hatte die Schnapsidee, ich könnte Frau Masur begleiten. Da kamen wir auf
die Idee mit Herrn Lehmann.«
»Weißt du, wer das ist? Das ist
der neue Herzallerliebste von Mercedes!«
Rufus lachte: »Das ist Herr
Lehmann von Rent-a-Gentleman.«
Leider sahen wir die beiden
nicht weggehen,weil wir in den Kochkurs mußten.
»Warum macht Frau Masur so
was?« fragte ich Rufus, als wir in seinem VW-Kombi in die Rothschild-Schule
fuhren. »Hat sie keinen Mann?«
»Sie will keinen. Sie hat mir
erzählt, daß sie seit zehn Jahren mit ihrer Freundin zusammenlebt.«
»Und der alte Onkel, bei dem
sie eingeladen ist, weiß nicht, daß sie lesbisch ist?«
»Nein, der würde sie sofort
enterben. Ich finde, Frau Masur hat völlig recht, einen fünfundsiebzigjährigen
Kirchenheiligen kann man nicht mehr bekehren. Nur aus Achtung vor dem Alter hat
sie Herrn Lehmann engagiert.« Rufus lachte.
Ich schielte zu ihm hinüber. —
Wenn man nicht sieht, wie Rufus aussieht, lacht er eigentlich sehr nett. »Was meinst
du«, fragte ich ihn, »warum engagiert die Schwester von Benedikt einen
Leihmann?«
»Das weiß ich nicht«, sagte
Rufus. »Unter wissenschaftlichen Arbeiten steht am Schluß oft: >Diese Frage
bleibt künftiger Forschung vorbehalten.<«
Im Kochkurs machten wir
Rindsrouladen. Weil Rufus, Tanja und ich bisher fast nie Fleisch gemacht
hatten, waren wir eine der zwei Gruppen, die Rindsrouladen machen durften. Die
andern mußten eine legierte Suppe und Zitronencreme produzieren.
Routiniert schnitt ich die
Zwiebeln in Würfel, während Tanja das Rezept vorlas:
»4 Scheiben Rinderrouladen mit
4 Teelöffel Senf bestreichen und mit 2 Teelöffel Salz und ½ Teelöffel Pfeffer
bestreuen.
200 Gramm Speck in dünne
Streifen schneiden. Eine Gewürzgurke vierteln — der Länge nach! Eine Zwiebel
würfeln und die Krümel auf die Fleischstücke streuen.
Die Fleischscheiben rollen und
die Rolle mit Zwirnsfaden zusammenbinden.«
Tanja wickelte zwei Rouladen
mit soviel Zwirn zusammen, daß sie aussahen wie zwei Rollen Nähgarn. Dann las
sie weiter:
60 Gramm Pflanzenöl stark
erhitzen. Darin die Rouladen rundum anbraten (mittlere Hitze).«
Es dauerte mindestens 20
Minuten, bis unsere Rouladen rundum braun waren. Wir warteten immer, bis die
Stelle, wo sie auf dem Pfannenboden auflagen, richtig braun war, dann drehten
wir sie zwei Zentimeter weiter.
»¼ Liter Wasser zugeben, und
die Rouladen bei mittlerer Hitze im geschlossenen Topf anderthalb Stunden
schmoren lassen. Dann die Rouladen rausnehmen. 30 Gramm Mehl mit einer Gabel in
etwas kaltem Wasser gut verquirlen und den Bratensaft damit andicken. Einmal
aufkochen lassen. ⅛ Liter saure Sahne dazugeben.«
Gerade wollten wir die Sahne in
die Pfanne kippen, da rief Wolfgang, der uns beobachtet hatte: »Halt, wenn man kalte
Sahne in heiße Sauce gibt, gerinnt die Sahne.« Er holte eine Tasse, gab die
saure Sahne in die Tasse, rührte sorgfältig um, gab einen Löffel von der Sauce
aus der Pfanne dazu, rührte wieder um, dann noch einen Löffel, noch einen
Löffel unter langsamem Umrühren. Er gab Rufus die Tasse: »Jetzt ist die Sahne
warm, jetzt gerinnt sie nicht mehr.«
Unter allgemeiner Anteilnahme
rührte Rufus alles in die Pfanne — tatsächlich, es gab eine sämige Sauce,
völlig ohne Flocken! Das Nachwürzen der Sauce mit Salz und Pfeffer überprüften
wir alle drei.
Obwohl sich alle fast
kaputtlachten, bis Tanja die von ihr gewickelten Rouladen entwickelt hatte, war
es ein toller Erfolg! Nur Carola war säuerlich, weil Wolfgang ihr pädagogisches
Prinzip, Fehler zu machen, nur damit man etwas lernt, unterwandert hatte.
Ich überlegte, ob ich demnächst
sonntags Rindsrouladen machen sollte. Nora macht das nie. Und dann würde ich
Mercedes ausdrücklich darum bitten, ihren Herzallerliebsten mitzubringen. Das
sollten die teuersten Rindsrouladen
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