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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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gelebt?«
    »Weil sie immens
anpassungsfähig waren. Keine andere auf dem Land lebende Wirbeltierart gab es
nur annähernd so lange. Aber alle hacken immer nur auf den Dinosauriern rum.
Jeder sucht nach irgendeinem Defekt, den sie gehabt haben könnten. Statt mal zu
fragen, was die andern Tierarten gemacht haben!«
    »Was haben die andern Tierarten
gemacht?« fragte Tanja. »Die sind viel schneller ausgestorben. Und als es die
Dinosaurier erwischt hat, sind massenhaft andere Tiere und Pflanzen
ausgestorben, aber nach denen kräht kein Hahn. Wenn man bedenkt, daß es echte
Menschen, Menschen, die intelligent genug sind, um Feuer anzumachen, nicht mal
nullkommazwei Millionen Jahre gibt, dagegen hundertundvierzig Millionen Jahre
lang Dinosaurier — da muß man sagen: So lange wie die Dinos halten wir nie
durch. Und da sollte man doch auch mal fragen, wie haben die das überhaupt
geschafft!«
    »Wahrscheinlich ist alles, was
ein sehr kleines Hirn hat, sehr anpassungsfähig«, sagte Tanja.
    »Jedenfalls sind die
Dinosaurier nicht daran schuld, daß sie ausgestorben sind.«
    »Entschuldige bitte«, sagte
Tanja, »es gibt immer einen Grund, über sein Herzensthema zu reden, und ich
finde Saurier auch wahnsinnig interessant, aber wie kamen wir noch mal von
Ohrringen auf Saurier?«
    »Ist doch klar, wie ich darauf
kam. Ich meine, es ist sinnlos, wenn Viola ständig fragt, warum die Beziehung
gestorben ist, statt mal zu fragen, warum sie überhaupt so lange überlebt hat.«
    »Na, das ist klar!« rief Tanja.
»Die Beziehung ging gut im studentischen Klima, solange es nur um Lust und
Liebe ging. Dann änderte sich das Klima, es ging um Karriere und Geld, da wird
die Anpassung schwieriger. Und wer sich nicht anpassen kann, muß untergehen.«
    »Das unerbittliche Gesetz der Evolution«,
sagte Rufus.
    »Ich hab das im BWL-Studium als
unerbittliches Gesetz der freien Marktwirtschaft gelernt.«
    »Kannst du nicht mal von was
anderem reden als immer nur von Geld?« sagte ich genervt zu Tanja. »Ich finde
es richtig, was Rufus sagt, die Dinosaurier waren nicht daran schuld. Es kam
plötzlich eine Katastrophe auf sie zu...«
    »Kannst du nicht mal an was
anderes denken als immer nur an Liebe?« unterbrach mich Tanja. »Um auf die
Plastikohrringe zurückzukommen — gib sie ihm zurück, laß dir dafür das halbe
Auto auszahlen.«
    »Hör auf!«
    »Komm jetzt«, sagte Rufus zu
Tanja, »wir gehen jetzt. Und unterwegs erkläre ich dir, warum jeder Dinosaurier
ein Saurier ist, aber nicht jeder Saurier ein Dinosaurier.«
    »Warum?« fragte Tanja.
    »Aus Dank dafür, daß du mir
beigebracht hast, was der Unterschied ist zwischen einem Darlehen und einem
Zwischenfinanzierungskredit.«
    Tanja lachte.
    Dann gingen sie, die beiden
Kumpels, sie wollten in ein Bistro. Dort sollte Rufus Tanjas Juwelier
kennenlernen. Werner hieß er. Tanja fragte nicht, ob ich mitwollte. Ich hätte
sowieso nicht mitgewollt. Ich wollte allein sein mit meinen Gedanken.

76. Kapitel
     
    Ich lag im Bett, im Walkman
eine Elvis-Kassette. Sein Lied >Heartbreak Hotel< war mein Lied geworden. Elvis
sang:
    »Since my baby left
me
    I’ve found a new
place to dwell
    down at the end of
lonely street
    at Heartbreak
Hotel...
    Oh, I’m so lonely,
baby, oh, I’m so lonely, baby I could die...«
    Und in der letzten Strophe sang
er: »I pray to die« — darum beten, zu sterben... Es war so wahr, was Elvis
sang.
     
    Ich hörte dieses Lied meines
Leids wieder und wieder. Ich versuchte es zu übersetzen, auf deutsch war es
blöd, jedenfalls, wenn man es im richtigen Rhythmus übersetzte, aber es war,
als hätte Elvis es für mich geschrieben:
    Seit Benedikt mich verließ
hause ich in diesem Verlies Am Ende der Straße der Einsamkeit im Hotel
Harmonie...
    Ach, ich bin so einsam,
Benedikt ach, ich bin so einsam, Benedikt...
    Es gelang mir nicht, »I pray to
die« im Rhythmus zu übersetzen. Und ich dachte: Wenn der Schmerz echt ist, kann
man ihn nicht beschreiben. Und dann spulte ich die Kassette zurück und hörte es
wieder:
    Since my baby left
me...
    Seit Benedikt mich verließ...
     
    Irgendwie fiel mir die Bibel im
Nachttisch ein. Irgendwie erinnerte ich mich, daß das Buch Hiob das traurigste
Buch der Bibel ist — oder öffnen sich die Bibeln im Hotel Harmonie von allein
beim Buch Hiob?
    Hiobs Geschichte beginnt wie
meine Geschichte — eine Geschichte des Glücks: »Es war ein Mann, im Lande Uz,
der hieß Hiob. Der war fromm und rechtschaffen, gottesfürchtig und mied

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