Der Mann, der's wert ist
Vater. Sein Kind
hatte das Modell meines Lebens zerstört, so wie damals Solveig unser Modell
zerstört hatte...
Am Sonntagmorgen, ich holte
gerade den Staubsauger aus dem Putzraum im ersten Stock, kam Rufus mit einem
Blumenbündel — Gerbera, Iris, Rosen und noch lila Flieder—, der Strauß war ein
Gewaltakt in Grün, Orange, Gelb, Blau, Rot und Lila, aber rührend. Für den
Nachmittag kündigte Rufus noch ein Geschenk an und den Besuch von Tanja, die es
mitbringen würde.
Und er hatte einen
Erdbeerkuchen selbst gebacken und mit einer Sahnesprühdose »Viola« draufgesprüht
und um meinen Namen herum ein Herz. Es war der rührendste Erdbeerkuchen, den
ich je gesehn hatte: Er hatte keine rote Glasur, sondern eine farblose, so sah
man deutlich, wie sich Rufus abgemüht hatte, die halbierten Erdbeeren in
ordentlichen konzentrischen Kreisen auf den Kuchen zu legen. Es waren auch
einige grüne Erdbeeren dazwischen. Aber der Kuchen war sehr eßbar.
Und Rufus und Tanja schenkten
mir zusammen einen Herzanhänger. Ein Herz, mindestens fünf Zentimeter groß, an
einer schwarzen Seidenkordel. Die eine Hälfte vom Herz war golden, die andere
silbern, zwischen den Hälften verlief ein zickzackiger Riß, und die goldene und
die silberne Hälfte paßten nicht exakt aneinander, deshalb hatte das Herz in
der Mitte einen offenen Spalt. Ich nahm es in die Hand, es war schön und
schwer.
»Es ist von Tanjas Juwelier«,
sagte Rufus, »wir dachten, es wäre passend.«
»Ein gebrochenes Herz«, sagte
Tanja strahlend. »Gebrochene Herzen sind derzeit der Renner bei Werner.
Gefällt’s dir?«
»Sehr. Es ist so schön. Und so
wertvoll...«
»Es ist aus Silber. Die Hälfte
ist vergoldet. Werner macht keine gebrochenen Herzen aus Gold, er meint, sie
sollten nicht zu teuer sein, ein gebrochenes Herz trägt man nur eine Saison.«
Ich legte das Herz an der schwarzen
Seidenkordel um den Hals: »Ich werde es immer tragen.«
Tanja lachte. Rufus seufzte.
81. Kapitel
In der ersten Juniwoche kommt
ein Malermeister ins Hotel. Rufus hat ihn bestellt. Posten für Posten gehen wir
die Malerarbeiten durch. Er nimmt das Leistungsverzeichnis mit, er wird Herrn
Berger einen Kostenvoranschlag schicken. Ich will Kostenvoranschläge von
weiteren Firmen, aber Rufus sagt, er sei überzeugt, dieser Maler würde ein
günstiges Angebot machen, da könne er sicher sein, daß die Preise eingehalten
würden und die Termine. Rufus hat Angst vor Dumpingpreisen, die sich später als
leere Versprechungen herausstellen. »Warten wir erst mal ab, was alles
zusammenkommt«, sagt er.
Dann kommt ein Installateur.
Die Kosten für Sanitärausstattungen schwanken beträchtlich, er bietet mir als
Restposten bordeauxrote Toilettenbecken an, die will er billig abgeben. Ich
will keine bordeauxroten Toiletten. Es stellt sich heraus, daß es ein
klassisches weißes Modell gibt, das bedeutend billiger ist als die bordeauxroten
Restklos.
Dann kommt ein Schreiner:
vierzehn Einbauschränke, neun neue Türblätter. Alle alten Türen sollen
wiederverwendet werden. Und sämtliche Türen zum Flur sollen abgeschliffen und
lasiert werden.
Der Maurermeister sagt, was die
architektonischen Änderungen meines Entwurfs betreffe, sei es kein Problem,
alles nach meinen Wünschen umzubauen. Und seine Firma arbeite seit Jahren mit
einem Architekturbüro zusammen, und selbstverständlich besorge er alle
erforderlichen Genehmigungen. »Machen Sie sich keine Sorgen, junge Frau«, sagt
der Maurermeister. Ja, aber was das kosten wird, das kann er vorerst wirklich
nicht sagen. Er will Termine wissen — da kann ich vorerst wirklich nichts
sagen. Zuerst muß Frau Schnappensiep das Machtwort sprechen.
Und dann kommt Frau
Schnappensiep. Und sie ist entzückt von meiner Hotelfassade. Entzückt von
meinen Zimmerentwürfen. Ich habe zu einem grün-weißen Zimmer Farbmuster auf
einen Karton geklebt und ein Teppichmuster, das ich einem Verkäufer abgeluchst
habe: ein grüner Teppich mit unregelmäßigem Streifenmuster, ein bißchen wie
Rasen. Überhaupt nicht teuer. Und die grün-weiße Tapete, die ich in einem
Kaufhaus entdeckt habe, habe ich so exakt wie möglich nachgezeichnet: ein
Biedermeiermuster mit klaren grünen Streifen. Dazu eine Tapetenkante, schlicht
und schön wie eine Efeuranke. Und ein leuchtendgrüner Vorhang, er wird über
eine Stange drapiert und seitlich von weiß-grünen Kordeln gehalten. Und
gottseidank meckert sie nicht, man würde nach jedem Waschen einen
Weitere Kostenlose Bücher