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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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Teppichboden, weil Teppich die
Schritte dämpft.
    Ich klebe das Foto an meinen
Paravent als Anschauungsmaterial: Das wäre nicht teuer, trotzdem, wo kann man
sparen? Wie Elisabeth gesagt hatte: Restposten kaufen. Zimmer für Zimmer
berechne ich, wieviel Rollen Tapeten man braucht, wieviel Quadratmeter Teppich.
Wenn man Restposten kaufen will, muß man genau wissen, wieviel man braucht.
    Ich suche die Kaufhäuser ab, die
Teppichparadiese, Baumärkte, Tapetengeschäfte; notiere mir Preise, Farben und
zeichne die Muster von den wenigen Tapeten und Teppichen auf, die in Frage
kommen. Ja, es gibt viele billige Teppichreste, aber von billigen Teppichen,
und die sehen leider immer billig aus. Und ich will keinen Boucléteppich, da
bleibt aller Dreck hängen. Und mit Teppichfliesen, die sich nach einem Jahr vom
Boden lösen, darf ich Frau Schnappensiep nicht kommen.
    Ich kontrolliere wieder und
wieder jedes Foto, das ich von den Hotelzimmern gemacht habe, wo ist ein
Möbelstück, das ich übernehmen könnte? Ich entdecke insgesamt fünfzehn gute
Stühle. Einige davon gehören sogar zusammen. Stühle, die voneinander getrennt
wurden, vermutlich als sie Herrn Hedderich in die Hände fielen, und dann
irgendwo hingestellt wurden. Fünfzehn gute Stühle —ich brauche mindestens
fünfzig. Ich prüfe noch mal und entdecke sechs weitere Stühle, die verwendbar
wären, wenn sie passend zur Farbstimmung eines Zimmers neu lackiert werden.
Einen soliden alten Stuhl neu zu lackieren ist billiger, als einen neuen zu
kaufen — natürlich müßten sämtliche Stuhlpolster neu bezogen werden. Auch
einige Sessel wären neu bezogen hübsch.
    Die Schränke sind ein größeres
Problem: Höchstens fünf kann ich übernehmen. Weitere fünf könnte man wie die
Wand tapezieren, optisch integrieren und auf die Außenfront Spiegel schrauben.
Einige Zimmer haben keinen Spiegel. Man merkt, daß hier ein Mann wie Herr
Hedderich, dem egal ist, wie er aussieht, jahrelang die Einrichtung
programmiert hat. Sogar Rufus sagt, es müsse in jedes Zimmer ein Spiegel, in
dem sich der Gast in ganzer Größe sehen kann, und er hoffe, daß sich dadurch
die Kleidungsmoral deutlich hebe. Manche Gäste hätten den Nerv, halb angezogen
zum Frühstück zu erscheinen, würden die sich vorher ganz im Spiegel sehen,
würden sie hoffentlich vom Schlimmsten Abstand nehmen. Ansonsten, sagt Rufus,
wären die Betten das Wichtigste. Ein Hotel sei höchstens so gut wie seine
Betten. Was kosten neue Betten, wieviel braucht man? Und das Elend mit den
Lampen — abgesehen von zwei erträglichen Glaskugeln sind alle scheußlich, immer
scheußlich gewesen und würden immer scheußlich bleiben. Es gibt solche Objekte,
denen keine Mode hilft. Die Architekturzeitschriften helfen mir nicht weiter:
Da sind nie Deckenlampen zu sehen, nur antike oder hypermoderne Stehlampen und
Wandleuchten. Sonst sind in den Architekturzeitschriften alle Räume von
Kerzenleuchtern erhellt. — Die billigste Möglichkeit wären schlichte, weiße
Strahler an der Decke. Aber das wirkt zu kalt, zu technisch. Wenn man sie in
Stuckrosetten integrieren könnte... aber der Stuck, den es in diesem Hotel
bestimmt einst gegeben hat, ist irgendwann einem modernen Malermeister zum
Opfer gefallen. Sollte man neue Stuckrosetten aus Kunststoff an die Decke
kleben? Die sind billig. Aber so wirken sie auch, wie ein schäbiges
Betrugsmanöver. »Woran erkennt man, ob Stuck aus Plastik oder Gips ist?« fragt
Rufus.
    »Der alte Stuck hat keine so
scharfen Kanten.«
    »Das kann nicht am Gips liegen«,
sagt Rufus, »wenn man einen Gipsabguß macht, hat der Abguß sehr exakte Kanten.«
    »Es liegt daran, daß der alte
Stuck dutzendfach übermalt ist.« Und dann habe ich die Idee: Man müßte den
neuen Stuck mehrmals mit Farbe überpinseln, dann würde niemand mehr erkennen,
daß es Kunststoff ist. Nur drei Leute wüßten die Wahrheit: ich, Rufus und der
Maler.
    Ein Problem jagt das andere.
Was ist unter dem Linoleum im Foyer? Das ist das Faszinierende an Linoleum:
Alles, was darunter ist, ist besser. Wieder die Hoffnung auf altrömische
Mosaiken. Ich schneide in einer Fensterecke ein Stück Linoleum vom Boden.
Drunter ist eine enttäuschend graue Steinmasse. Erst als ich mit Spachtel,
Putzmittel, Universalverdünner die Dreck- und Klebstoffschicht entfernt habe,
erkenne ich: Es ist Terrazzo. Schwarz mit weißen Einsprengseln. Terrazzo, das
hat man früher oft gemacht, vor allem in Häusern, in denen viele Menschen
herumlaufen. Wenn

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