Der Mann, der's wert ist
er kein sauberes Hemd mehr
hat!«
Ich kam mir etwas überflüssig
vor, ich wollte auch was Nützliches tun: »Benedikt meinte, ich könnte seinen
Schrank ausmisten und meine Sachen einräumen.«
»Er sollte wirklich selbst
entscheiden, was er nicht mehr will, alle seine Sachen sind von hochwertiger
Qualität!«
Also lieber nicht. »Was könnte
ich sonst tun?«
Nora seufzte: »Eigentlich
sollten in den Ferien die Fenster geputzt werden, Medi wollte mir ihre Putzfrau
schicken, aber die Putzfrau ist krank geworden.«
Ich sah hinüber zu den Fenstern
des sogenannten Spielzimmers. Die Putzfrau mußte seit Jahren krank sein.
Eigentlich hasse ich Fensterputzen, aber hier mußte es Spaß machen, die Fenster
und Rahmen waren so schmutzig, daß Nora vom Erfolg meiner Arbeit geblendet sein
würde.
Nora brachte Zeitungen. Wenn
man die Fenster nach alter Hausfrauenart mit alten Zeitungen putze, sei
Fensterputzen ein Kinderspiel. Aber es war eine elende Arbeit. Die kleinen
Glasscheiben über den Fenstern und der Tür des Spielzimmers fielen beinah aus
den Rahmen, so brüchig war der Kitt. Und überall Spinnweben. Sorgfältig
kontrollierte ich jede Ecke: War irgendwo eine Spinne? Vor nichts ekelt es mich
mehr. In einem Raum kann sich entweder eine Spinne befinden oder ich. Aber
nicht ich und eine Spinne gleichzeitig. Zum Glück war weit und breit keine zu
entdecken.
Beim Putzen überlegte ich vor
mich hin, wo wir frühstücken sollten. Vielleicht doch in Benedikts Zimmer? Da
waren wir ungestört. Wie sollte ich das Nora beibringen? Es wäre ziemlich
offensichtlich, daß wir sie damit ausschließen wollten. Und unten in der Küche
war es praktischer. Andererseits fehlte der Küche die stilvolle
Frühstückskultur, die ich mir in Benedikts Heim vorgestellt hatte — nichts war
hier so, wie es in den Wohnzeitschriften fotografiert ist: keine schönen
Küchenmöbel, keine Frühstückstheke, kein alter Holztisch mit großem
Blumenstrauß.
Die Küche mußte unbedingt
renoviert werden. Andererseits war es in Benedikts Zimmer auch nicht schöner.
Nächste Woche, wenn die Schule wieder anfing, würde Nora wahrscheinlich früher
weggehen als Benedikt. Abwarten war das beste.
Ich putzte unablässig, bis Nora
das Mittagessen brachte. Als Vorspeise gab es Tomatensalat mit dem Käse, den
ich gestern gekauft hatte. Als Hauptgericht wieder eine Portion ihres
Gemüseeintopfs. Wir waren gerade beim Nachtisch, wieder eingemachte Birnen, da
rief Benedikt an.
»Natürlich habe ich deine
Hemden gewaschen«, rief Nora ins Telefon. »Ja, ja, und jetzt hab ich
Mittagessen gekocht. Was möchtest du zum Abendessen? Was soll ich einkaufen?«
Dann sagte sie zu mir: »Er will dich auch sprechen.«
»Hallo«, sagte ich leicht
verlegen, »was gibt’s denn?«
»Nichts«, sagte Benedikt,
»geht’s dir gut?«
»Ja, ganz prima. Ich putze die
Fenster vom Spielzimmer.«
»Ist ja prima. Also dann,
tschüs.«
»Tschüs.«
Was für eine blöde Unterhaltung.
Und in Gegenwart seiner Mutter konnte ich ihm nicht die üblichen drei
Abschiedsküßchen durchs Telefon geben. Er mir auch nicht, in Gegenwart seiner
Kollegen und meiner Cousine Angela.
»Übrigens«, sagte ich zu Nora,
»Benedikt möchte morgens mit uns beiden zusammen frühstücken.«
»Mir hat er nur gesagt, daß er
zum Frühstück meine hausgemachte Marmelade möchte.«
Wenn sie es nicht glaubt,
dachte ich, muß es Benedikt ihr heute abend selbst sagen.
Ich machte mich wieder ans
Fensterputzen. Nora verschwand in die Küche und blieb verschwunden. Erst spät
am Nachmittag, als ich mal aufs Klo ging, hörte ich ihre Stimme durchs
geöffnete Klofenster. Ich sah hinaus. Sie stand vor dem Haus und redete mit
einer Frau in Kittelschürze. Ich lächelte über diese Hausfrauen-Idylle in der
Vorstadt.
Ich hörte Nora sagen: »Die
junge Dame hat er sich mitgebracht. Nein, sie sind nicht verheiratet.«
»Nicht verheiratet!« sagte die
Kittelschürze.
Ich grinste auf dem Klo:
typische Vorstadt-Spießerin, die Kittelschürze.
Nora lachte draußen: »Die junge
Dame ist, wie Goethes Mutter gesagt hätte, sein Bettschatz.«
»Bettschatz?« sagte die
Kittelschürze.
»Ja, sein Bettschatz ist das«,
lachte Nora.
»Ja, ja, die jungen Männer
müssen sich die Hörner abstoßen«, sagte die Kittelschürze.
Empört saß ich auf dem Klo.
Glaubte die Kittelschürze im Ernst, Benedikt benutzte mich dazu, um sich die
Hörner abzustoßen?! Meinte Benedikts Mutter etwa mich mit >Bettschatz!
Außerdem ist
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