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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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Nora nicht Goethes Mutter! — Ich beschloß, Benedikt nichts davon
zu sagen, ich würde Nora ganz allmählich umerziehen.
    Als Benedikt kam, putzte ich
immer noch Fenster und war völlig verdreckt und verschwitzt. Benedikt war
begeistert: Ob ich geahnt hätte, daß meine Cousine Angela das teuerste
BMW-Cabrio fährt?! Genau das Modell der Sonderklasse, von dem Benedikt träumt!
In Schwarz. Angela hätte ihm gesagt, es sei kein gewöhnliches Schwarz, sondern
Kaviarschwarz.
    Mich interessierte Angelas
Aussehen mehr als Angelas Auto. Sie sei ein wandelnder Schmuckständer, hätte
ein Kollege gesagt. Heute hatte sie zwei Paar Ohrringe und ein Pfund Armreifen
getragen. Und ein Wildlederkostüm mit Jeansflicken drauf.
    »Die jungen Leute tragen
durchaus echten Schmuck zu sportlicher Kleidung, Medi liebt das auch«, sagte
Nora.
    »Hast du gehört, ob Angela
jetzt endlich einen Freund hat?« fragte ich.
    »Ich hab nicht gehört, daß sie
eine feste Beziehung hätte.«
    »Sie hatte nie einen richtigen
Freund«, sagte ich. »Mein Vater sagt über Angela: Viel Verehrer, kein
Begehrer.«
    »Wäre sie nicht eine gute
Partie?« überlegte Nora.
    Benedikt lachte: »Ich brauch
keine gute Partie, ich hab Viola.« Ätsch, dachte ich und lachte mit Benedikt.
Ich hab’s nicht nötig, auf die Tochter des Bürgermeisters, die Erbin eines
Modehauses oder auf Angela neidisch zu sein.
    Dann machte Nora das
Abendessen. Es gab die Reste von gestern und die Brötchen, die ich zum
Frühstück gekauft hatte. Früher waren wir abends oft zum Essen weggegangen.
Früher — das war noch letzte Woche.
    Aber eigentlich war ich auch zu
kaputt, um wegzuwollen. Das beste war es, neben Benedikt vor dem Fernseher zu
sitzen. Nach den Nachrichten holte Nora die Hemden, die sie für Benedikt
gewaschen hatte, aus dem Garten, trug ein Bügelbrett herbei und begann neben
uns zu bügeln. Vorsichtig sah ich Benedikt an. Benedikt sah auf den Fernseher.
Bisher hatte Benedikt seine Hemden selbst gebügelt. Einigemale sogar eine Bluse
für mich. Bügeln kann er nämlich viel besser als ich. Aber jetzt kam ich mir
etwas merkwürdig vor, wie ich neben Benedikt im Cocktailsessel saß, und seine Mutter
bügelte neben uns seine Hemden. »Ich bin völlig k. o.«, sagte ich, »ich hab den
ganzen Tag Fenster geputzt. Willst du mal sehen?«
    Benedikt lachte: »Warum soll
ich mir ein geputztes Fenster ansehen?«
    Ich mußte auch lachen. Da hatte
er recht.
    Seine Mutter lachte am meisten.
Ich sah zu, wie sie den Kragen mehrmals von der Kragenkante hin zur Kragenecke
bügelte. Benedikt hatte mir beigebracht, daß es Falten gibt, wenn man das so
macht. Aha, bei Nora gab es auch eine Falte. Sie bügelte mehrmals über die
Falte. So, nun war sie endgültig so fest eingebügelt, daß sie nicht mehr
rausging. »Jetzt hab ich vor Lachen eine Falte in dein Hemd gebügelt«, sagte
Nora.
    Ich sah Benedikt an. Benedikt
sah auf den Fernseher. Also gut, so ging es nicht. Ich ahnte, daß seine Mutter
es als Kindsmißhandlung empfinden würde, wenn ihr Sohn vor meinen Augen seine
Hemden bügeln mußte. Also sagte ich zu Nora: »Laß mich bitte ein Hemd bügeln.«
    Man kann nicht alle Probleme an
einem Tag lösen, auch nicht, wenn es nur ganz kleine Probleme sind. Ich bügelte
drei Hemden, dann war es halb elf. »Die restlichen kann man am Wochenende
bügeln«, sagte ich todmüde. Da sollte sie aber Benedikt selbst bügeln. Notfalls
heimlich in seinem Zimmer. Benedikt bedankte sich mit Küßchen bei mir. Nora sah
weg.
    An diesem Abend war ich zu
müde, um mit Benedikt in sein Zimmer zu gehen. Aber als ich ihm unten an der
Treppe ins Ohr flüsterte: »Und wo frühstücken wir morgen?«, da rief er seiner
Mutter hinterher: »Morgen frühstücke ich mit Viola zusammen in der Küche.«
    Na also. Ein Problem gelöst.
     
    In ihrem orangeroten
Trainingsanzug saß Nora am nächsten Morgen am Küchentisch und las Zeitung,
während wir Konversation über die Marmelade machten. Es war selbstgemachte
Marmelade. Johannisbeermarmelade. Benedikt hatte sie schon als Kind so gerne
gegessen. Dieses Jahr gab es auch viele Johannisbeeren. Dann winkten wir
Benedikt hinterher.
    Ich begann, die Fenster im
Wohnzimmer zu putzen. Zum Mittagessen gab es Salat, gekochte Tomaten und
Pflaumen. Nach der letzten Pflaume sagte Nora, sie müsse sich ein wenig
hinlegen, sie hätte es mit dem Kreislauf, Medi mache sich solche Sorgen um ihre
Gesundheit. Natürlich machte ich mir auch Sorgen um Noras Gesundheit und bat
sie, sich

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