Der Mann, der's wert ist
die Tür zum Spielzimmer. Sie ging hinein. Ich blieb vor
der Tür.
»Hier soll Benedikt schlafen?«
rief Nora, »in dieser Enge?« Und da kam die Riesenspinne langsam über unser
schneeweißes Bett! Ganz langsam. Auf Nora zu. Auf mich zu! »Da, da da«
kreischte ich hysterisch.
»Genau wie Medi«, sagte Nora
kopfschüttelnd, »die stellt sich bei Spinnen auch so an, dabei ist das eine
ganz normale Spinne.« Es war mir egal, ob die Spinne ganz normal oder nicht
normal war. »Mach sie tot, bitte!« kreischte ich.
»Seit Medi als Kind eine Spinne
in der Marmelade entdeckte, was zugegeben nicht sehr appetitlich war.«
Die Spinne schlich über ein
Kopfkissen. »Eine Spinne in der Marmelade?!« Ich war völlig fertig.
»Unglücklicherweise hat Medi
sie sich aufs Brot gestrichen. Medi hat es gemerkt, weil sie noch zappelte,
davon abgesehen sind Spinnen sehr nützliche Tiere.«
Die Spinne stand unbeweglich
auf dem linken Kopfkissen, meinem Kopfkissen, ich schlafe immer links von
Benedikt. Und Nora redete von Nutztieren. Als hätte ich das noch nie gehört.
Als würde ich jetzt sagen, ach, wenn sie nützlich sind, bitte mehr Spinnen in
unserem Bett! »Mach sie tot!«
Sie blieb auf dem Kissen
stehen. Als wüßte sie, daß es unmöglich ist, eine Spinne auf einem Federkissen
mit einem Schlag plattzuhauen. Sie würde nur in das Kissen gedrückt. Es wäre
besser, die Decke vom Sofa zu werfen und dann Millimeter für Millimeter auf der
Decke herumzutrampeln bis ganz sicher war, daß sie vernichtet war. Es würde einen
Fleck auf der Decke geben, einen schwarzen Spinnenfleck...
»Komm her, Spinnchen, du kannst
nicht auf dem Kissen bleiben, sonst erdrückt dich Benedikt mit seinem großen
Kopf«, sagte Nora zu der Spinne, als spräche sie zu einem Kätzchen.
Spinnchen! ÄÄÄH! Mit bloßer
Hand packte sie die lauernde Spinne. Sie packte sie an einem ihrer acht Beine!
ÄÄÄH! Ich konnte nicht hinsehen. Wahrscheinlich umkrallte die Spinne Noras
Hand. Würde sie sie mit den Fingern zerquetschen? Nora hielt sich die Spinne
vors Gesicht — konnte sie sich nicht sattsehen an der Schönheit dieses
Nutztieres? Ich rannte in den Flur hinaus. Ich hörte die Tür zum Garten
klappen.
»Ich hab sie rausgesetzt, sie
kam zum Winterschlaf ins Spielzimmer. Als Benedikt klein war, hat er an einem
einzigen Herbsttag ein Dutzend Spinnen im Spielzimmer gefunden.«
Fassungslos setzte ich mich auf
die Treppe. War da neben mir nicht ein Schatten? Ich sprang auf, rannte ins
Spielzimmer, warf mich mit den Schuhen ins Bett, zog die Decke über den Kopf
und heulte.
Ich lag noch unter der Decke,
als Benedikt kam. »Hier sieht’s ja toll aus«, rief er, als er die Tür
aufmachte.
Ich schluchzte unter der Decke.
»Was ist los, Herzchen?«
»Eine Spinne, so groß wie eine
Hand.«
»So groß wie ein Hund?
»So haarig wie ein Hund.«
»Igitt, igitt, igitt«, sagte
Benedikt in solidarischem Ekel — er hat nämlich kaum Angst vor Spinnen.
»Deine Mutter sagt, hier wären
jede Menge Spinnen«, schluchzte ich unter der Decke. »Kannst du mal nachsehen?«
»Mutti übertreibt, hier ist
keine.«
Spinnen bringen Unglück. Jeder,
der Angst vor Spinnen hat, weiß das! Wahrscheinlich lauerte sie jetzt im Garten
darauf, wieder reinzukriechen. Vielleicht waren hier drinnen weitere Spinnen.
»Vielleicht ist die Spinne, die auf dem Kopfkissen saß, gar nicht die Spinne, die
unterm Sofa verschwunden ist! Vielleicht hockt schon die nächste Spinne auf dem
Sofa! Oder auf der Bettdecke, direkt auf meinem Kopf!«
»Da ist keine«, sagte Benedikt.
»Oder sie wartet an der Zimmerdecke,
bis ich rauskomme, dann wirft sie sich auf mich!« — Das ist der Schrecken der
Spinnen, wenn sie wollen, sind sie überall.
»Herzchen, ich sehe überall
nach.« Benedikt raschelte etwas herum, dann sagte er: »Du kannst kommen, die
Luft ist wirklich rein.«
Ich kam unter der Decke hervor,
fiel Benedikt um den Hals. Mein Retter war heimgekehrt.
»Es klappt doch alles prima«,
sagte Benedikt und küßte mich. »Vergiß die Spinne. Der Umzug ist vorbei, das
Schlimmste ist überstanden.«
Er hatte recht. Nun lagen wir
endlich wieder in unserem gemeinsamen Bett. In Benedikts Armen beruhigte ich
mich.
»Jetzt geht es uns besser als
je zuvor«, sagte Benedikt.
»Jetzt sind wir glücklicher als
je zuvor«, sagte ich.
Seine Mutter klopfte heftig an
die Tür: »Benedikt, das Essen ist fertig.«
5. Kapitel
Auch am nächsten Morgen klopfte
Nora heftig an unsere
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