Der Mann, der's wert ist
Benedikt: »Etwas Billiges paßt grundsätzlich
nicht zu Ihrem Typ.« Dabei blickte er verachtungsvoll auf meine markenlosen
Turnschuhe.
Als wir den Laden verließen,
seufzte Benedikt: »Jetzt habe ich fast ein Netto-Monatsgehalt in
Arbeitskleidung investiert, obwohl ich noch kein Gehalt bekommen habe.
Wenigstens wird’s erst nächsten Monat von der Kreditkarte abgebucht.« Und dann
kaufte er sich zwei Paar Schuhe! So ist Benedikt! Er klebt nicht an seinem
Geld.
Wie ein Traumpaar der
Kreditwerbung zogen wir durch die Läden. Da drei Paar teure Socken für
Benedikt, dort ein tolles Polohemd und eine superschöne weiße Jeans. Dann entdeckten
wir eine exquisite Weinhandlung und kauften zur Feier der Einkäufe ein Dutzend
Flaschen, ebenfalls von hochwertiger Qualität. Weil die Weinhandlung keine
Kreditkarten akzeptierte, bezahlte ich das, und Benedikt bedankte sich auf die
wunderbarste Weise: Er kaufte mir an einem Blumenstand eine dunkelrote Rose!
Ja, wir waren wirklich das Traumpaar aus der Werbung!
Auf unserem Bett fanden wir
einen Zettel mit pingelig exakter Lehrerinnenschrift:
»Lieber Benedikt,
bin bei Medi, helfe ihr beim
Kofferauspacken.
Bin zum Abendessen zurück.
Grüßchen Deine Nora-Mutti.«
Daneben ein großer
Briefumschlag: Meine Eltern hatten die Fotos von unserem Fest geschickt. Welch
schönes Bild, wie Benedikt und ich im Gras unter dem Kronleuchter lagen. Und
ich im Sternenkleid unter diesem Kronleuchter. — Ich bin auch eine gute Partie,
dachte ich mit heimlichem Stolz.
Ich klebte das Foto im
Spielzimmer neben die Tür, so daß es jeder sehen mußte. Medi würde beeindruckt
sein. Ich rief meine Eltern an, glücklicherweise kam mein Vater an den Apparat,
er habe einen Abzug von diesem schönen Foto im Wohnzimmer aufgestellt, und sein
Blick weile wohlgefällig auf uns. Und wir bekämen sehr wahrscheinlich 800 Mark
Schadensersatz von der Versicherung. Mein Vater schlug vor, das Geld an Elisabeth
überweisen zu lassen, es sei besser, wenn mein Name nicht in der Angelegenheit
auftauche, sonst wirke es wie eine Familienabsprache, und das mache keinen
guten Eindruck. Ich solle selbst das Geld mit Elisabeth aufteilen. Dann
beendete mein Vater das Gespräch schnell, aber herzlich, denn Solveig, Annabell
und Mutter waren beim Einkaufen, und mein Vater wollte in diesem seltenen
Moment häuslicher Ruhe ein Bad nehmen. Ich nutzte den seltenen Moment von Noras
Abwesenheit, um mir von Benedikt ihr Schlafzimmer zeigen zu lassen. Allein
hätte ich mich nicht hineingetraut. Ein zweiteiliges Ehebett stand da, als gebe
es noch einen Ehemann. An den Wänden Fotos von Benedikt und seiner Schwester,
richtig unter Glas gerahmt. Natürlich gab es auch Spanplattenbilder: vier
russische Ikonen, auf jeder eine Muttergottes mit Kind. Genau so hatte ich mir
Noras Schlafzimmer vorgestellt.
Nora überschlug sich vor
Entzücken über Benedikts hochwertige Einkäufe. Als sie aufs Klo ging, flüsterte
ich Benedikt zu, er solle seine Mutter fragen, was nun mit Medis Zimmer ist.
»Was ist denn jetzt mit Medis Zimmer?« fragte Benedikt so prompt, daß sie
merken mußte, daß ich Benedikt dazu angestiftet hatte. Ich wurde ein bißchen
rot.
»Medi ist eben erst
zurückgekommen, da kann ich nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen«, sagte
Nora vorwurfsvoll.
»So eilig ist es nicht«, sagte
ich schnell und tat, als sehe ich Benedikt vorwurfsvoll an.
Wir gingen früh ins Bett.
Tuschelten und kicherten und tranken unseren Wein. Nora war vor dem Fernseher sitzengeblieben,
durch die dünnen Wände war jedes Wort zu hören. Sie sah einen Report über die
Elendsquartiere dieser Erde. Als sie um halb zwölf noch nicht genug Elend
gesehen hatte, sagte Benedikt: »Ich finde, Mutti muß jetzt ins Bett gehen.«
Er holte ein Verlängerungskabel
und setzte unsere Stereoanlage in Betrieb. Im Kassettenrecorder war ein Band
mit klassischer Musik. Genau gesagt, war es Beethovens Neunte Sinfonie, mit der
Ode an die Freude, das Stück mit dem ganz großen Chor. Wir lieben die Ode an die
Freude.
Benedikt sang lauthals mit:
»Ohho Freu-eunde, nicht diese Tö-hö-ne... sondern laßt uns aha-ahandere,
freu-heuden-vollere anstimmen«...
Seine Mutter mußte es hören!
Nach diesem Auftakt kommt eine
längere Passage ohne Gesang. »Da-da-da dadada da-da-da«, sangen wir mit Pauken
und Trompeten. Dann ging es voll los: »Freude, schöner Götterfunken, Tochter
aus Elysium«...
— bei »Wir betreten
feuertrunken, Himmlische, dein
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