Der Mann, der's wert ist
Bruder, dem er sagen muß, wo’s langgeht!
Ich sagte meinem Vater, daß ich
full-time damit beschäftigt bin, im Haus alles nach meinen Wünschen umzubauen,
und daß für mich blendend gesorgt ist. Natürlich war er froh, daß er sich um
mich keine Sorgen machen muß.
13. Kapitel
Am letzten Samstag im Oktober,
nach zweimonatigen Renovierungsarbeiten, war mein Zimmer fertig. Die Mühen auf
dem Weg zum Ziel sieht man nur am Unvollkommenen. Erst wenn ein Fußboden endlich
perfekt lackiert ist, fragt man sich, was man eigentlich die ganze Zeit gemacht
hat. Und dann sind alle Anstrengungen vergessen.
Makellos glänzte der Fußboden
in puderhellem Türkisblau. Das tollste war das aufgemalte Muster am Rand
ringsum. Ich hatte mir eine Schablone mit klassischem Rankenmuster geschnitten
und weißen Lack hauchdünn aufgewalzt. Ich mußte höllisch aufpassen, daß der
Lack nicht unter die Schablone kleckert. Es ist viel schwieriger, als es
aussieht. Und dann Klarlack drüber. Nun sah mein Fußboden aus wie ein Teppich,
aber viel edler, denn kein Teppich hat einen solchen Glanz. Benedikt fand es
nicht spießig, daß man mein Zimmer nur noch auf Strümpfen betreten darf.
Die Wände glänzten matt in
einem transparenten, sehr hellen Türkis, nach einigem Üben war mir der wolkige
Farbauftrag gelungen, den ich auf Fotos in einer internationalen
Architekturzeitschrift gesehen hatte.
Der hintere Teil des Zimmers
war abgeteilt durch einen fast raumhohen Paravent, den hatte ich aus sechs
Rigipsplatten gebaut. Die Platten waren unterschiedlich breit, dadurch wirkte
der Paravent wie ein unregelmäßiges Zickzack. Das war Benedikts Idee gewesen,
dieses unregelmäßige Zickzack. Und ich finde auch, daß ein Paravent wie
zufällig hingestellt wirken muß. Er war türkis wie die Wände lackiert, an
seinen hinteren Winkeln wiederholte sich das Rankenmuster vom Fußboden, an den
nach vorn gerichteten Zacken hatte ich schmale Spiegelstreifen aufgeklebt —
nichts läßt ein kleines Zimmer größer wirken als Spiegel. Wenn man in die
raumverdoppelnden Spiegel sah, war es wie ein Blick in einen Salon, und es war
auch ein Blick in die Zukunft — denn in den Spiegelstreifen spiegelte sich mein
Kronleuchter!
Nicht der ganze, da hätten wir
nicht mehr ins Bett gepaßt. Nur den unteren Ring hatten wir installiert, mit
den gläsernen Blitzen, den zur Mitte gebündelten Kristallketten und der blauen
Sternenkugel. Vielleicht würden wir eines Tages die Zimmerdecke einreißen und
das Dach ausbauen, dann könnten wir den ganzen Kronleuchter aufhängen — aber
jetzt war es auch unheimlich schön.
Nun war alles Häßliche aus
meinem Zimmer verschwunden — weil ich hinter dem Paravent einen Regalraum
geschaffen hatte. Man betrat ihn durch eine freischwingende Türplatte am Ende
des Paravents. Im Regalraum ringsum sieben Reihen Regalbretter: unten die hohen
Fächer, oben nur zwanzig Zentimeter Abstand zwischen den Brettern, da war aller
Kleinkram übersichtlich aufbewahrt. Ich hatte es geschafft, auf nur 3,75
Quadratmetern insgesamt 42 Meter Regalbretter anzubringen, und hatte so das
größte aller Einrichtungsprobleme gelöst: alles Unansehnliche, alle Dinge, die
nie zusammenpassen, verschwinden zu lassen. Alles Häßliche muß verschwinden,
hatte unser Professor Singer gesagt, denn das Häßliche ist leider immer stärker
als das Schöne.
Und ich hatte es mit nur 700
Mark Materialkosten geschafft. Darauf war ich genauso stolz. Benedikt meinte,
kein Handwerker hätte es besser gemacht, aber jeder hätte dafür mehr als
zehntausend Mark verlangt.
Wir transportierten unser Bett aus
dem unbeheizbaren Spielzimmer hinauf, lagen unter dem Kronleuchter und hörten
die Ode an die Freude. »Seid umschlungen, Millionen. Diesen Kuß der ganzen
Welt!« — Vielleicht hörte Nora sogar, daß wir den Text leicht abgeändert
sangen: »Wir lieben unterm Sternenzelt... ahhahaha...«
14. Kapitel
Madame Mercedes weigerte sich
bei ihrem Sonntagsbesuch zunächst, mein Zimmer zu besichtigen. Die Erinnerung
sei zu schmerzlich, winkte sie ab. Aber Benedikt sagte, sie solle sich nicht
anstellen, sie müsse es unbedingt sehen, also begab sie sich nach oben.
»Warum sind die Bilder nicht
mehr da?« fragte sie als erstes entsetzt. »Sie verliehen dem Raum so eine
künstlerische Note.«
»Sie sind eingepackt auf dem
Speicher.«
Sie sah den Kronleuchterring.
»Und was ist aus meinem Beleuchtungskörper geworden?«
Ihre gammelige
Weitere Kostenlose Bücher