Der Mann, der's wert ist
Peddigrohrkugel
war ebenfalls auf dem Speicher. Benedikt hatte sie als Fußball herumgekickt und
ihr einige Peddigrohrrippen gebrochen, das sagte ich aber nicht. Mercedes
machte ein Gesicht, als hätte sie das Grab eines Geliebten besichtigt, und
wortlos ging die blöde Kuh wieder runter.
Beim Mittagessen sagte sie auch
kein Wort mehr über das Zimmer, sondern zählte die Vorteile und Nachteile
diverser exklusiver Ferienorte auf, an denen ihr Herzallerliebster mit ihr
Weihnachtsurlaub machen wollte. Nachdem wir darüber ausreichend informiert
waren, seufzte sie: »Leider kommt das alles nicht in Frage, weil ich dieses
Jahr an Weihnachten in meiner Firma völlig unabkömmlich sein werde.«
»So«, sagte Benedikt völlig
desinteressiert, »dann bring doch den Wunderknaben zum Weihnachtsessen mit,
damit wir ihn mal kennenlernen.« Benedikt war auch sauer, daß sich Mercedes bei
der Zimmerbesichtigung so aufgeführt hatte.
»Ich kann ihn doch nicht
hierherbringen«, sagte Mercedes. »Aber sicher«, rief Nora, »deine Freunde sind
auch meine Freunde, du kannst ihn jederzeit mitbringen.«
»Er kann nicht hierherkommen,
weil seine Frau nichts von unserer Liebe erfahren darf.«
»Dein Verehrer ist verheiratet?
Das wußte ich gar nicht, Medi!« rief Nora.
»Das weißt du doch«, sagte
Mercedes, »er kann sich nicht scheiden lassen, weil er eine kranke Frau hat.«
»Aber in die Karibik kann er
trotzdem mit dir fahren?« fragte Benedikt.
»Im Ausland kann uns seine Frau
nicht beschatten lassen.«
»Ja, ja, das hast du schon
erzählt«, sagte Nora. »Ich erinnere mich.«
»Wenn er verheiratet ist, geht
er ja kein Risiko ein, wenn er dir ständig Heiratsanträge macht«, sagte ich
ganz sachlich. Mercedes sah aus, als hätte sie auf eine Zitrone gebissen. »Möchtest
du noch etwas Pflaumenkompott?« fragte ich ganz sachlich.
Nein, sie wollte kein
Pflaumenkompott mehr, sie hatte es sehr eilig, nach Hause zu gehen.
Benedikt und ich machten ein
Mittagsschläfchen unter dem Kronleuchter. Ich schlief ein mit einem großen
Grinsen auf dem Gesicht!
Am Abend rief Elisabeth an: »Es
hat endlich geklappt bei Hagen und von Müller!«
»Großartig! Herzlichen
Glückwunsch! Wieviel verdienst du?«
»Nicht viel — Herr von Müller
meinte, er kenne Horden höherer Töchter, die draufzahlen würden, um seine
reichen Kunden kennenlernen zu dürfen.«
»Was?«
»Ich hab ihm gesagt, daß ich es
nicht nötig habe, täglich acht Stunden zu arbeiten, nur um Männer
kennenzulernen.«
Ich konnte mir richtig
vorstellen, wie Elisabeth das gesagt hatte: schön und ungebeugt!
»Dann stellte Herr von Müller
die Preisfrage: Wie sieht Ihre Karriereplanung aus? Das zielte darauf ab, daß
ich so blöd wäre, darüber zu reden, ob und wann ich vielleicht Kinder haben
will — da hätte es auf jeden Fall geheißen, ich wolle ja nur vorübergehend
berufstätig sein, und es lohne sich für die Firma nicht, mich aufzubauen. Also
sagte ich: Meine Karriereplanung sieht vor, daß ich mit dreißig
Geschäftsführerin bin.«
»Ehrlich?«
»Darauf hat er mir das höchste
Anfangsgehalt aller Zeiten für eine Innenarchitektin genehmigt.«
»Großartig!«
»Das höchste Anfangsgehalt
aller Zeiten für eine Innenarchitektin ist der normale Tariflohn einer
Fachverkäuferin. Mehr könnte er einer Innenarchitektin nicht bezahlen, ich
müßte bedenken, daß die Innenarchitektinnen laufend von der Kundschaft
weggeheiratet werden!«
Das Gehalt war, zugegeben,
enttäuschend. »Aber dafür kannst du Supermöbel billig kaufen.«
Leider waren auch da die
Möglichkeiten begrenzt: Elisabeth bekam einen Angestelltenrabatt von 25 Prozent
— aber nicht unbegrenzt, nur auf eine Einkaufssumme von drei Monatsgehältern
pro Jahr. Das war genau vorgeschrieben. »Sonst würde jeder Zahnarzt seine
Helferin da mal kurz umsonst arbeiten lassen, um sich die Einrichtung für sein
Haus billig besorgen zu lassen.« Trotz der Abstriche war es toll, daß Elisabeth
den Job bekommen hatte. Es war ein guter Karrierestart, in diesem exquisiten
Laden zu arbeiten, im direkten Kontakt mit der Crème der Gesellschaft.
»Vielleicht wirst du tatsächlich von einem reichen Kunden weggeheiratet.«
Cool wie immer sagte Elisabeth:
»Lieber hätte ich ein eigenes Geschäft. Dann könnte ich Herrn von Müller einen
reichen Kunden wegheiraten!«
Als ich Benedikts Mutter, die neben
dem Telefon saß und den Fernseher kein bißchen leiser gestellt hatte, als ich
telefonierte, von
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