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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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zwei Krankenbahren nebeneinander zu
transportieren. Und das blödeste war: Benedikt hatte keine Ahnung gehabt, daß
derartige Vorschriften existieren. Hinterher hatte mein Onkel gebrüllt: »Sie
waren anscheinend länger krank während Ihres Studiums!« Benedikt hatte sich
tausendmal entschuldigt und versprochen, den Fehler auszubügeln, durch
unbezahlte Überstunden. Onkel Georg hatte sich wieder eingekriegt.
    Aber nun war Benedikt schwer im
Streß. Es mußten Rohre und Leitungen anders geführt werden. Jeden Abend brachte
er Projektunterlagen mit, und er rief ehemalige Kommilitonen an, um sich
beraten zu lassen, er hatte Angst, neue Fehler zu machen. Benedikts
Arbeitsstreß wurde verstärkt durch die miserable Laune, die Herr Wöltje im Büro
verbreitete. Herr Wöltje hatte Ärger mit Sandy. Sie sei so komisch in letzter Zeit,
als ob sie dauernd ihre Tage hätte, und neuerdings würde sie lieber aufs Abitur
büffeln als bumsen! Er verdächtigte sie fremdzugehen. Manchmal fuhr er
nachmittags unter einem fadenscheinigen Vorwand in sein Apartment, um zu
kontrollieren, was Sandy trieb. Einmal war ein Knabe aus ihrer Klasse bei ihr,
aber sie lernten für den Biologie-Leistungskurs. Angela sagte, sie befürchte,
eines Tages käme Herr Wöltje als Mörder zurück. Das war natürlich absolut
übertrieben. Aber Benedikt sagte, Herrn Wöltjes schlechte Laune sei nicht mehr
komisch.
     
    Wie es jetzt aussah, war
eigentlich sicher, daß mich Onkel Georg im November nicht einstellen konnte.
Dezember war auch fraglich. Benedikt erklärte, die meisten Ausstattungsfragen
würden ohnehin von den Handwerkern, mit denen mein Onkel immer
zusammenarbeitet, entschieden. Man mußte sich an ihr Sortiment halten, denn bei
Fremdlieferanten gibt es unweigerlich Verzögerungen, und nie ist sicher, ob sie
die vereinbarten Preise halten. Und das Altersheim-Projekt, bei dem ich wahrscheinlich
einsteigen konnte, weil Onkel Georg signalisiert hatte, das würde ein
Riesen-Projekt, war noch nicht soweit. Zuerst mußte der Wettbewerb für dieses
Projekt gewonnen werden. Aber Benedikt verriet mir absolut im Vertrauen, was
Angela ihm absolut im Vertrauen verraten hatte, nämlich: Diesen Wettbewerb
würden sie garantiert gewinnen. Mein Onkel mauschelt mit vielen Leuten von der
Stadt rum.
     
    Bei meiner Freundin Elisabeth
hatten sich ebenfalls Verzögerungen ergeben, erzählte sie am Telefon. Man hatte
sie nicht zum 1. Oktober eingestellt. Die Leute, die im Oktober Möbel kaufen,
würden keinen Wert auf eine Beratung durch Innenarchitekten legen, dies sei
eine jahrzehntelange Erfahrung, hatte Herr von Müller Elisabeth mitgeteilt.
Vielleicht im November. Wir spekulierten lange darüber, warum die
Oktober-Möbelkäufer so anders sein könnten als andere Käufer, fanden aber keine
Erklärung. »Man kann sowieso nichts machen, wenn man keine Alternativen hat«,
sagte Elisabeth ziemlich geknickt.
    Um so besser, daß die
Versicherung meines Vaters 800 Mark an Elisabeth gezahlt hatte. Ich fand,
Elisabeth sollte das Geld allein bekommen, sie renovierte auch das Modell
allein. So waren wir beide voll beschäftigt mit renovieren.
     
    Von zu Hause gab es auch keine
sensationellen Nachrichten: Solveig war diesen Herbst wieder mal nicht in den
Kindergarten gekommen, berichtete Annabell. Solveig hätte instinktiv gemerkt,
daß die Kindergärtnerin total unqualifiziert war. »Ich will zu keiner
Kindergärtnerin, die keine Kinder hat«, hätte Solveig instinktiv
herausgebrüllt. Und als die Kindergärtnerin gesagt hatte, Solveig würde sich
den andern Kindern schon anpassen, hatte sich Solveig auf den Boden geworfen
und gebrüllt: »Ich will kein angepaßtes Kind sein!«
     
    Annabell machte sich schwere
Vorwürfe, daß sie überhaupt versucht hatte, ihre überintelligente Tochter in
das Scheiß-Kindergartensystem zu pressen. Und eigentlich habe sie ihr Kind
sowieso nicht in die Welt gesetzt, um es von wildfremden Kindergärtnerinnen
aufziehen zu lassen.
    Mein Vater sagte, wenigstens
könne Annabell nicht verhindern, daß Solveig in zwei Jahren in die Schule
kommt, und dann müsse sich Annabell zwangsweise nach einer anderen
Beschäftigungstherapie umsehen und könne nicht mehr den ganzen Tag Solveig
hinterherlaufen. Dann begann mein Vater, sich Sorgen um mich zu machen: Ob er
seinem Bruder mal auf die Sprünge helfen solle, damit er sich etwas deutlicher
erkläre, wann ich bei ihm anfange? — Es ist wirklich lustig: Für meinen Vater
ist Georg noch der kleine

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