Der Mann, der's wert ist
Kamin,
Sauna und vier Garagen residiert und obwohl sie eine Putzfrau hat, ist sie eine
richtige, nette Hausfrau geblieben. Und auf ihre selbstgebackenen Torten
genauso stolz wie Onkel Georg auf seine selbstgebauten Häuser.
Tante Susi war begeistert, mich
endlich, nach drei Jahren, wiederzusehen. Sie liebt Verwandte, das heißt, sie
redet liebend gern darüber, wer wen warum geheiratet hat; wer warum wie viele
Kinder hat; wer was von wem geerbt hat; wer weshalb nicht zu einer Beerdigung
kam. Als nahe Verwandte durfte ich Sahne schlagen und in Angelas Räume tragen.
Angela hat keine Zimmer, Angela
hat Räume. Fast das gesamte Erdgeschoß hat sie für sich. Drei Räume, der größte
ist das sogenannte Studio. Auf wollweißem Teppich zwei weiße Ledersofas, in der
Mitte ein Glastisch, darauf die unausgepackten Geschenke. Angela posierte auf
einem ihrer Ledersofas, die rechte Hand mit Sektglas auf der Lehne, das linke
Bein untergeschlagen, wodurch der Schlitz ihres Kleids bis zur Hüfte
hochrutschte. Eine Szene wie aus einer Reklame für Haushaltsreiniger. Und das
Gröbste: Neben Angela hockte ein weißer Yorkshire-Terrier, so ein fluffiges
Tier, dem die Haare in die Augen hängen. Den hatte sie zu Weihnachten bekommen,
hatte ich gehört. »Komm zur lieben Angela, Romeo«, rief Angela, als der Hund
versuchte, in die Küche zu Tante Susi abzuhauen.
Zwei mir unbekannte Herren
saßen Angela bewundernd gegenüber. Ich setzte mich zu Benedikt und Detlef
Jacobi, der ohne seine karrieresüchtige Freundin gekommen war, und Gerhard
Krift, der auch allein gekommen war, weil er keine Freundin hat. Wir saßen
abseits, auf weißen Gartenstühlen, die wir vom Pool geholt hatten, und
lauschten den Herren, die Angela direkt gegenübersitzen durften.
Die Herren auf dem Sofa klagten
über ihre Steuerberater, die nur Außenstellen des Finanzamts seien. Dann
klagten sie über ihre Bankinstitute, die für Gutschriften drei Wochen
brauchten, aber Abbuchungen zwei Tage vordatierten. Einer war von seiner Bank
um zwölf Mark beschissen worden, hatte aber das Geld zurückgeklagt.
Dann klagte man über Autos.
Leider war Angela alles andere als zufrieden mit ihrem nagelneuen BMW-Cabrio
der Sonderklasse. Sie hatte das Cabrio in Beluga-Schwarz bestellt, was, wie
jeder Idiot weiß, ein Mittelgrau ist. Eben so wie die teuerste Kaviarsorte. Der
Verkäufer aber, von Tuten und Blasen und Kaviar keine Ahnung, hatte die falsche
Farbe bestellt. Nun hatte ihr Cabrio zwar diesen unheimlich schönen,
transparenten Glanz von Kaviar, war aber schwarzgrau wie irgendeine billige
Kaviarsorte — fast schon wie Kaviarersatz. Angela hatte deshalb den Preis
gedrückt, aber außerdem klemmte das Verdeck, schon zweimal hatte sie sich ein
Fingernägelchen abgebrochen!
Die Herren hatten ähnliche Sorgen.
Der eine, der einen ganz großen Mercedes fuhr, berichtete, daß sein Wagen,
sobald sich der Tacho 200 nähere, so laut würde, daß das Klingeln des
Autotelefons nicht zu hören sei. Das sei unmöglich, sagte der andere,
vermutlich sei das Telefon nur eine Attrappe.
Ein Mann, der die ganze Zeit im
Hintergrund geschwiegen hatte, übertrumpfte die Herren auf dem Sofa, indem er
sie raten ließ, wie unverschämt lange er wohl auf seinen neuen Jaguar habe
warten müssen? »Sage und schreibe neun Monate!«
»In der Zeit kann ich ja ein
Baby kriegen«, kicherte Angela. Nun war Angelas Yorkshire-Terrier an der Reihe.
Ob der Romeo eigentlich was sehen könnte durch die Zottelhaare vor den Augen?
Als Benedikt vorschlug, die Haare mit Angelas Haarspangen hochzustecken, tat Angela
entrüstet. Ihr Romeo sei doch kein Mädchen, und ihr Romeo würde sie keines
Blickes mehr würdigen, müßte er mit einer Haarspange rumlaufen. Endlich packte
sie ihre Geschenke aus. Sie knotete sich das große Hermès-Tuch mit
Pferdemotiven um die Hüften und rief: »So sieht es rassig aus.« Divamäßig küßte
sie ihre Fingerspitzen und winkte den Herren zu: »Danke, meine lieben Männer!«
Mein antikes Silberrähmchen
würdigte sie keiner Bemerkung, aber selbstverständlich war sie von ihrem Foto
als hübsches Kind begeistert. Jeder mußte ihr sagen, daß sie noch genauso
aussieht. Das war natürlich gelogen, ihr Gesicht ist ziemlich grob. Tante Susi
rief sofort meine Eltern an, um sich für das süße Foto von ihrer Angela zu
bedanken.
Ich war nur einmal und nur kurz
am Gespräch beteiligt, das heißt, ich erzählte Angela, daß ich den Fußboden
meines Zimmers türkisblau lackieren
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