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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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gegrüßt. Die Verkäuferinnen reden nur mit anderen
Verkäuferinnen. Und Verkäuferinnen, die allein in einem Laden sind,
telefonieren mit ihren Freundinnen — vermutlich anderen Verkäuferinnen, die
allein in einem Laden sind. Falls sie gerade niemand ans Telefon bekommen,
drehen sie die Musikbeschallung auf totale Lautstärke, damit man weiß, daß die
Verkäuferin nicht gestört werden will. Hier kann man jeden Laden genauso
unbemerkt, wie man ihn betreten hat, wieder verlassen.
    Am Nachmittag, in einer
billigen Boutique, gefiel mir ein schwarzer Pulli so gut, daß ich ihn kaufen wollte.
Im Regal lagen aber nur XS- oder XL-Größen, nichts Normalgroßes. Ich suchte
alles durch. Neben mir unterhielten sich zwei Verkäuferinnen, eine hatte gerade
Urlaub gemacht in Kenia, und dort war ihr beim Dinner eine Languste samt
Majonnaise vom Teller gerutscht und ausgerechnet auf ihr Betty-Barclay-Kleid!
Aber sie hatte den Fleck einfach im Handwaschbecken ausgewaschen, kein Problem.
Die andere hatte mal in Kalifornien einen Fleck im Handwaschbecken
ausgewaschen, aus einer Joop-Bluse, aber ausgesprochen negative Erfahrungen
damit gemacht. Irgendwann wagte ich zu fragen: »Darf ich Sie kurz stören?«
    »Was wollen Sie?«
    »Den schwarzen Pulli. In Größe
L oder M.«
    »Müssen Sie im Regal
nachsehen.« Die Kenia-Urlauberin wandte sich wieder ihrer Kollegin zu: »Du glaubst
es nicht, wie die in Kenia Spiegeleier machen! Zum Totlachen!«
    Aber ehe sie anfing, das zu
erzählen, unterbrach ich schnell: »Ich hab im Regal nachgesehen, da sind nur
ganz kleine oder ganz große Pullis.«
    »Wenn es da nicht ist, haben
wir es nicht.«
    Die Verkäuferinnen beobachteten
mißbilligend, wie ich nochmal das Regal durchsuchte. »Ich erzähl’s dir gleich,
wenn die draußen ist«, sagte die Kenia-Urlauberin genervt. Beide seufzten
erleichtert, als ich den Laden verließ. Ich war auch erleichtert: wieder Geld
gespart. So gut war der Pulli nicht gewesen. Aber wie die in Kenia Spiegeleier
machen, hätte mich schon interessiert.
    Fröhlich besichtigte ich die
nächste Boutique. Zugegeben, anfangs war ich bei den Boutiquen-Besichtigungen
nicht so locker, dachte, ich sei falsch angezogen, aber nachdem ich einigemale
beobachtet hatte, daß ganz teuer gekleidete Frauen von den Verkäuferinnen
genauso ignoriert werden, wußte ich, es lag nicht an mir. Es ist der Stil der
Stadt. Und wenn man kein Geld ausgeben will, ist es echt super. So brauchte ich
den ganzen Tag nur Geld für die Busfahrt und einen Big Mac zum Mittagessen. Das
war gut.
     
    Schon zwei Tage später fuhr ich
wieder auf Ringsuche und zur Entspannung vom Renovieren in die Innenstadt. Und
da, in einer superschicken Luxusboutique, sah ich Sandy, die Freundin von Herrn
Wöltje. Ganz offensichtlich jobbte sie da: Lässig kämmte sie sich ihre
schulterlangen blonden Haare und unterhielt sich mit einer Blonden mit ganz
kurzen Haaren und einer Blonden mit ganz langen Haaren. Alle drei waren
wahnsinnig schön und trugen wahnsinnig edle Blusen zu Designerjeans. »Grüß
dich«, sagte ich begeistert und blieb bei den dreien stehen, ich freute mich
so, endlich jemand Bekanntes getroffen zu haben.
    Die Kurzhaarblondine warf einen
Blick auf meine nicht ganz aktuellen Stiefel und fragte die andern: »Kennt ihr
die?«
    »Die kenn ich doch nicht«,
sagte die Langhaarblondine, wobei sie meinen Mantel anstarrte.
    Ich zupfte meinen Schal zurecht
— den Kaschmirschal, der Benedikt und mir gemeinsam gehörte, er war zwar etwas
abgetragen, aber immer noch hundertprozentig Kaschmir. »Ich kenn die Sandy«,
sagte ich.
    »Mich?« Sandy schien das
peinlich zu sein.
    Ich erklärte ihr umständlich,
daß ich die Freundin des Kollegen ihres Freundes bin.
    »Welcher Kollege?« kicherte
Sandy. »Und welcher Freund?« Dann dämmerte es ihr.
    »Jobbst du hier?« fragte ich.
    »Der Besitzer ist ein Freund
von uns«, sagte Sandy. »Wer schickt dich her?«
    Brauchte man Referenzen, um den
Laden zu betreten? »Die Tür stand offen, da bin ich einfach reingekommen«,
erklärte ich wahrheitsgemäß.
    »Hier war eine Kundin, die hat
so gefurzt, da mußten wir lüften«, stöhnte die Kurzhaarblondine.
    »Gestern hättet ihr da sein
sollen«, rief die Langhaarblondine, »da war eine Ewigkeiten hier und hat
gestunken, als hätte sie in die Hose geschissen! Und die hat das Jil
Sander-Kostüm für dreitausend Mark genommen und nicht mal gemerkt, daß Sandy
den ganzen Kragen mit ihrem Makeup versaut hat!«
    »Ich nicht«,

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