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Der Mann, der's wert ist

Der Mann, der's wert ist

Titel: Der Mann, der's wert ist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Heller
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protestierte
Sandy, »Irina trägt so’n Schmieröl-Makeup.«
    »Ich?! Sieh mal den Kragen von
der Bluse an, die du jetzt anhast!« rief die Langhaarblondine.
    »Und an deiner sind
Schweißränder unter den Achseln«, sagte Sandy.
    »Die gehen wieder raus.« Die
Langhaarblondine winkelte ihre Arme an und klappte sie auf und nieder, um ihre
Achselhöhlen zu belüften.
    »Kann ich mich mal umsehen?«
fragte ich. Niemand antwortete. Zuerst blieb ich absichtlich in der Nähe der
Verkäuferinnen, damit sie merkten, daß ich nicht in den Laden gekommen war, um
hier in Ruhe zu furzen. Ich betrachtete die Mäntel, ich brauchte einen neuen
Wintermantel, dringend, wenn ich demnächst berufstätig sein würde. Aber wer
kann sich einen Mantel für zweitausend Mark oder mehr leisten? Ich nicht. Davon
abgesehen: Hier würde es nicht mal Madame Mercedes wagen, mit der Kreditkarte
ihres verheirateten Verehrers zuzuschlagen. Allenfalls eine Frau wie Angela mit
dem Geld ihres Daddys.
    An einem Chromständer hingen
langärmlige T-Shirts in Mausgrau und Dreckbraun mit undefinierbaren Raffungen
zwischen Hals und Busen. Irgendwas mußte ich hier anprobieren. Und kaufen.
Sandy würde sonst denken, ich hätte kein Geld oder keinen Geschmack, und es
Herrn Wöltje erzählen. Außerdem hatte ich Lust, auch mal was zu kaufen. Ich
nahm das mausgraue mit in die Umkleidekabine. Dort suchte ich nach dem
Preisschild, es war aber keines dran. Egal, ein T-Shirt kann kein Vermögen
kosten.
    »Hast du aufgepaßt, wieviel Teile
die in die Kabine mitgenommen hat?« hörte ich die Langhaarblondine durch den
Laden rufen. Der Vorhang meiner Kabine wurde aufgerissen, es war Sandy. So
schnell ich konnte, zog ich das T-Shirt an, damit Sandy nicht zu genau mein
Unterhemd sah. Im Prinzip glaube ich zwar, daß ein Unterhemd von C& A für
zehn Mark nicht zu unterscheiden ist von einem Hundert-Mark-Unterhemd, aber
jetzt war ich nicht mehr sicher. Zum Glück sah Sandy mich nicht an, sie
betrachtete nur sich selbst im Spiegel.
    Das mausgraue T-Shirt war nicht
schlecht, jedenfalls für ein mausgraues T-Shirt. »Gibt es das auch in Schwarz?«
    »Nein«, sagte Sandy pikiert, so
als hätte ich nach Spinatrosa gefragt.
    »Na ja, ist ganz okay«, sagte
ich. Schließlich wollte ich hier was kaufen.
    »Kommt es für dich in Frage?«
wollte Sandy wissen. Sie hatte mir nun den Rücken zugedreht, um ihren wirklich
einwandfrei runden Jeans-Po im Spiegel zu begutachten.
    Sicher konnte ich mir ein
T-Shirt leisten. »Okay, ist gekauft«, sagte ich lässig. »Was kostet es
eigentlich?«
    Sandy hatte keine Ahnung. »Weiß
jemand, was die Tops kosten?« rief sie durch den Laden.
    Wie peinlich, ich war die erste
Kundin, die nach dem Preis fragte!
    Die Langhaarblondine warf einen
mitleidigen Blick auf mich: »Du kannst es für hundertfünfundachtzig haben.«
    Mir wich das Blut aus dem Kopf.
185 Mark für ein T-Shirt! Wenn es wenigstens so teuer ausgesehen hätte! Mit
letzter Kraft sagte ich: »Oh. Ist okay.«
    »Kommt sonst was für dich in
Frage?«
    Ich sah mich um, als käme es
ohne weiteres für mich in Frage, weitere Hunderter für ein T-Shirt hinzuwerfen.
Sandy zog einen grauen, quadratischen Lappen aus dem Regal. Ohne mich zu
berühren, legte sie das Tuch über das Top. »Sieht süß aus«, sagte sie.
    Nun war nichts mehr von der kostenintensiven
Raffung des T-Shirts zu sehen. Nur mausgraue Ärmel und darüber das aschgraue
Tuch. Das passende Outfit, um sich als Buchhalterin bei der Heilsarmee zu
bewerben. Trotzdem betrachtete ich den Schurwollappen, als käme er in Frage.
Aber dann sagte ich: »Benedikt hat es lieber, wenn ich Schals aus reinem
Kaschmir trage.« Dabei griff ich nach meinem Kaschmirschal.
    »Ach so«, sagte Sandy nicht
unbeeindruckt. Und tatsächlich freundlicher fragte sie: »Zahlst du mit Karte?«
    Glaubte sie echt, daß ich eine
Kreditkarte besitze?
    Ganz lässig sagte ich: »Ich hab
soviel Bargeld bei mir, da zahl ich heute cash.«
    Sandy packte das T-Shirt in
eine halbquadratmetergroße Plastiktüte mit dem Namen der Luxusboutique. Als ich
den Laden verließ, schwor ich, ihn nie wieder zu betreten. Noch einmal konnte
ich es mir nicht leisten zu demonstrieren, daß ich mir das leisten konnte!
    185 Mark für 1 T-Shirt! Nora
würde akute Kaufsucht diagnostizieren. Egal, es ist schließlich mein Geld. Und
ich schufte den ganzen Tag, also kann ich mir mal ein teures T-Shirt leisten.
Und Benedikt legt auch Wert darauf, daß ich gut angezogen bin. Trotzdem

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