Der Mann, der's wert ist
erpreßt.
26. Kapitel
Statt mich weiter über meinen
Vater zu ärgern, rief ich Elisabeth an. Sie sagte, ich solle sie gleich
besuchen, sie hätte eine große Überraschung.
In Elisabeths
Einzimmerapartment, auf ihrem Bett-Sofa, lag Lampen-Peter. Welche Überraschung.
Peter sagte, er sei nur gekommen, um mich wiederzusehen. Aber ich hatte den
Eindruck, daß er auf Elisabeths Bett-Sofa ziemlich zu Hause war. Als ich ihn
fragte, was er jetzt macht, sagte er: »Ich bin Lagerarbeiter geworden.«
»Lagerarbeiter?«
»Ich helfe im
Haushaltswarengeschäft meiner Mutter, pack Pakete und sortiere das Lager.«
»Willst du mal die Überraschung
sehen?« fragte Elisabeth.
Sie unterbrach meine Gedanken,
wie leid mir Peter tat. »Ich dachte, Peter ist die Überraschung?«
Elisabeth zog ein dünnes
schwarzes Tuch von einem schwarzen Podest in der Ecke und drückte auf einen
Lichtschalter. Da stand, magisch beleuchtet von einer von Peters
Lichtinstallationen, unser Modell der Bankfiliale Faber & Leibnitz.
Ich hatte den Gedanken an das zerstörte Modell verdrängt, hatte vergessen
wollen, was ich meinte, nicht retten zu können. »Es ist schöner als vorher!«
»Stimmt«, sagte Elisabeth,
»jetzt hab ich Übung.«
Alles war, wie es gewesen war,
nur noch besser: das handgemalte Tapetenmuster wirkte noch plastischer, die
Schatten auf dem Boden noch exakter. An einer Wand des Schalterbereichs
entdeckte ich etwas Neues: Ein streichholzschachtelkleines Gemälde in einem
Goldrahmen.
»Auf dieser Wand war nur ein
kleinerer Saftfleck, da hab ich das Bild über den Fleck gehängt.«
Ich betrachtete den
Minikunstdruck genauer: Ein blonder Held posierte auf einem toten Drachen. Der
Drache hatte zwei Köpfe. »Zur Erinnerung an deine Schwester und Solveig«, sagte
Elisabeth.
Dann zeigte sie die Fotos, die
sie mit ihrem neuen Makro-Objektiv gemacht hatte. Das Modell war so perfekt,
daß es auf den Fotos wie ein echtes Bankinterieur aus dem vorigen Jahrhundert
aussah. Es war toll. »Ich hätte es nicht geschafft, diese Arbeit noch mal zu
machen!«
»Wenn man weiß, was man tut,
schafft man es immer wieder. Und es macht viel mehr Spaß, zielstrebig zu
arbeiten, als blind herumzubasteln. Zu wissen, was man tut, das unterscheidet
den Profi vom Dilettanten«, sagte Elisabeth sehr profimäßig. »Aber es ist
langweilig, genau zu wissen, was man tut. So unkreativ.«
»Find ich nicht. Wenn ich nicht
weiß, was ich tu, sagen mir andere, was ich tun soll. Lieber mache ich meine
eigenen Fehler, statt mir von anderen vorschreiben zu lassen, welche Fehler ich
machen soll. Das ist das Unkreativste überhaupt.«
»Ich könnte auch sofort wieder
ein Modell bauen«, sagte Peter und betrachtete verliebt das Modell, »ich hab an
der Restaurierung mitgearbeitet.«
Ich wurde fast ein bißchen
neidisch. »Und was macht dein Job bei Hagen und von Müller?« fragte ich
Elisabeth.
»Das bringt nichts. Es ist
peinlich, daß ich dafür studiert habe.«
»Das versteh ich nicht.«
»Letzte Woche hab ich mich
wieder wahnsinnig geärgert. Da kommt so ein halbglatziges Arschloch, parkt
seinen Porsche vor dem Eingang, taxiert die Verkäuferinnen, als hätte er einen
Puff betreten, und quatscht mich an, ob ich wüßte, wie gut meine Haarfarbe zu
dem hellen Schaukelstuhl paßt und ob ich ihm was vorschaukeln würde? Prompt
kommt der Chef angeschlichen und sagt: >Das wird Fräulein Leibnitz gerne
machen!< — und ich mußte dem Laffen eins vorschaukeln. Und dann fragt die
freche Halbglatze den Chef, ob er gestatte, daß ich nach Dienstschluß ein Gläschen
Sekt mit ihm genieße und ihm weiterhin so reizend die Vorzüge unseres Hauses
vorführe. Und mein Chef sagt: >Das wird Fräulein Leibnitz gerne machen.<
— Ich wurde gar nicht gefragt.«
»Warum redet er dich mit
Fräulein an?«
»Er redet alle mit Fräulein an,
er behauptet, das macht sein Haus für die Herren Kunden attraktiver. Wir sind
sein Werbematerial, sagt er. Und er stellt nur deshalb Innenarchitektinnen ein,
weil ein Hauch von akademischer Bildung bei den Herrn gut ankäme.«
»Elisabeth sagt, sie sei von
Beruf >Möbelnutte<«, rief Peter dazwischen.
»Mußte ich mich also von dieser
Halbglatze in seinem schmuddeligen Porsche in ein Bistro karren lassen. Weil
ich sagte, ich hätte keine Zeit, mußte er schnell mit seinen geheimen Wünschen
rausrücken: Er wollte über mich den Schaukelstuhl und einige sonstige
Kleinigkeiten billiger bekommen. Er sei sehr großzügig, sagte er,
Weitere Kostenlose Bücher