Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)
die Zeitung! ›Miss Susan Hopkins gestern Abend im Stork Club gesehen.‹ Meine Güte, jeder kleine Scherz, den sie macht, kommt in die Klatschspalten. Liest du denn keine Zeitung?«
»Nicht die Klatschspalten.«
»Na, dann versuch’s mal! Da erfährst du eine Menge über deine Tochter. Mit ihren achtzehn Jahren ist sie schon prominent!«
»Das ist unvermeidlich«, sagte er. »Sie wird lernen, damit umzugehen.«
»Und die Männer, mit denen sie ausgeht!«, sagte Helen. »Das sind nicht nur nette, gesunde Schuljungen – du solltest die mal sehen. Neulich Abend hat ein Mann sie abgeholt, der älter ist als ich!«
»Wer?«
»Byron Holgate, so heißt der. Er fährt ein groteskes Automobil, er war schon zweimal verheiratet, und er segelt bei Ozeanrennen mit.«
»Ich kenne Holgate«, sagte Hopkins. »Das ist ein Idiot. Was zieht sie denn mit dem rum?«
»Sie zieht nicht einfach so locker mit ihm rum – sie ist die halbe Zeit mit ihm zusammen. Es würde mich nicht überraschen, wenn sie überlegt, ob sie ihn heiraten soll. Und die anderen, mit denen sie sich trifft, sind auch nicht besser – es ist diese ganze Café-Schickeria. Weißt du, was sie neulich zu mir gesagt hat? Sie ist hier reingekommen in so einem scheußlichen Fetzen, den sie sich gerade gekauft hat, und sie hat gesagt: ›Mutter, findest du, ich bin alt für mein Alter? Ich finde, Jungen in meinem Alter sind Kinder.‹«
»So eine Phase machen alle Mädchen durch.«
»Unsinn! Die meisten Mädchen würden ja gern, aber sie haben nicht die Gelegenheit dazu. Du hast ja keine Ahnung, was hier los war. Neulich nahm ein Mann, dessen Stück am Broadway anlief, sie zur Premiere mit. Wie kann ein College-Junge da mithalten?«
»Wer war das?«
»Michael Patterson, so heißt der. Er ist dreiundvierzig Jahre alt und hat drei Kinder. Seine Frau hat sich letztes Jahr von ihm scheiden lassen.«
»Sein Stück ist nach drei Abenden abgesetzt worden«, sagte Hopkins. »Du solltest sie nicht mit solchen Leuten rumziehen lassen.«
»Wie soll ich sie denn daran hindern? Soll ich sie in ihrem Zimmer einschließen?«
»Hast du mit ihr darüber geredet?«
»Natürlich habe ich mit ihr geredet! Sie sagt, ich bin altmodisch, und sie sagt …« Helen machte eine Pause, bevor sie den Satz beendete. »Es ist ziemlich komisch«, fuhr sie fort. »Sie sagt, ich habe ihr da nichts zu sagen, weil meine eigene Ehe gescheitert ist.«
»Das stimmt doch gar nicht«, sagte Hopkins ruhig. »Ich halte unsere Ehe für einen Erfolg.«
»Lassen wir das jetzt«, sagte Helen. »Der Punkt ist, ich kann nichts mit ihr machen. Und ich sage dir genau, was passiert, wenn sie so weitermacht: Sie wird eine der Frauen sein, die den Großteil ihres Lebens beim Scheidungsrichter ein und aus gehen.«
»Ich finde, du malst den Teufel an die Wand«, sagte er. »Sie ist jung und temperamentvoll. Gib ihr ein paar Jahre, dann kriegt sie wieder einen klaren Kopf.«
»Und wie soll das bitte passieren?«, fragte Helen. »Was kriegt sie denn für eine Ausbildung? Sie schläft bis zum Mittagessen. Den halben Nachmittag verbringt sie damit, sich anzuziehen. Die meiste Zeit, die sie wach ist, wird sie unterhalten. Soll sie so einen klaren Kopf kriegen? Mein Gott, sie beklagt sich schon jetzt, dass sie sich die ganze Zeit langweilt. Langweilt, und das mit achtzehn!«
»Sie sollte aufs College gehen«, sagte Hopkins.
»Gestern hat sie sich rundweg geweigert. College ist was für Kinder, hat sie gesagt. Sie hat behauptet, dass die meisten Männer, die sie kennt, brillanter sind als Professoren – wahrscheinlich denkt sie dabei an ihren Stückeschreiber.«
Hopkins leerte sein Glas. »Sag dem Mädchen, sie soll eine Flasche und einen Eiskühler bringen«, sagte er.
Helen zog am Klingelzug, und gleich darauf erschien das Dienstmädchen. »Sie haben geläutet, Madam?«, fragte sie. »Haben Sie nach mir geläutet?«
»Bringen Sie für Mr Hopkins eine Flasche Scotch und einen Eiskühler«, sagte Helen.
»Gewiss, Madam«, erwiderte das Mädchen und lief aus dem Zimmer.
»Dieses Mädchen macht mich nervös«, sagte Hopkins. »Wo hast du die denn her?«
»Sie ist nur unerfahren. Ich glaube, sie ist von dir ein wenig eingeschüchtert.«
»Ich möchte mir meine Drinks selbst mixen!«
»Reg dich nicht auf, mein Lieber«, sagte Helen. »Das passt gar nicht zu dir.«
»Entschuldige«, sagte Hopkins.
Nachdem das Dienstmädchen die Flasche Scotch und den Eiskühler gebracht hatte, schenkte Hopkins sich ein
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