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Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sloan Wilson
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grinsend. »Wollen Sie mich verhaften?«
    »Heute nicht. Ich habe gedacht, vielleicht könnten Sie mir etwas sagen. Hat die alte Mrs Rath hier eingekauft?«
    »Nein – die ist zu Fritz gegangen.«
    »Warum?«
    Julius zuckte die Achseln.
    »Hat sie überhaupt einmal hier eingekauft?«
    »Vor langer Zeit mal, als ich noch klein war. Dann hat sie gewechselt.«
    »Wissen Sie, warum?«
    Wieder zuckte Julius die Achseln.
    »Niemand macht Ihnen Schwierigkeiten, wenn Sie es mir sagen«, sagte Bernstein. »Und Sie müssten auch nicht vor Gericht erscheinen. Ich werde Ihren Namen nicht erwähnen.«
    »Na gut, Herr Richter«, sagte Julius. »Dieser Schultz hat sämtliche Einkäufe für sie erledigt, und er wollte Provision. Er hat Paps gesagt, er soll Mrs Raths Rechnungen überhöhen. Und zwar nicht zu knapp – Schultz wollte, dass er jeden Monat zwanzig Prozent draufschlägt und dabei fünfzehn für ihn abzweigt. Sie wissen ja, wie Paps bei solchen Sachen war. Er hat den Mistkerl rausgeschmissen.«
    »Danke«, sagte Bernstein.
    »Was Fritz für ihn getan hat, weiß ich nicht«, sagte Julius. »Ich kann da keinen Verdacht äußern – ich sage Ihnen nur, was hier passiert ist. Ich will nicht, dass Fritz Ärger kriegt. Sie wissen ja, wie das ist, Herr Richter – Fritz könnte irgendwann mal die Gelegenheit kriegen, mich irgendwo reinzureiten. Es zahlt sich nicht aus, in so einer Stadt was anzufangen. Würde nicht lange dauern, bis er was findet, womit er mich drankriegt.«
    »Ich werde mit Fritz gar nicht sprechen müssen«, sagte Bernstein. Sechs Jahre davor hatte er erfolgreich einen Mann vertreten, der Fritz wegen überhöhter Rechnungen verklagt hatte. Er dankte Julius erneut und ging weiter die Main Street entlang. Das klärt eine Sache, dachte er – Schultz ist unehrlich. So eine Erkenntnis war für Bernstein um einiges hilfreicher als die juristischen Zeitschriften, die jeden Monat in sein Büro kamen.
    Bernstein bummelte dann noch in der Stadt herum, plauderte hier und da mit Ladenbesitzern, dem Geschäftsführer des Kinos, Wirten, dem Mann, der am Bahnhof Fahrkarten verkaufte, und vielen anderen. Binnen zweier Stunden hatte er so ein ziemlich vollständiges Dossier über Schultz zusammen. Fünf Ladenbesitzer hatten berichtet, Schultz habe versucht, sie zu überhöhten Rechnungen zu überreden. Diese fünf hatten alle einen guten Ruf, und Schultz hatte nicht regelmäßig bei ihnen eingekauft. Das hatte er ganz überwiegend in Geschäften getan, deren Besitzer Bernstein im Auge hatte, manche aufgrund von Gerüchten, die er gehört hatte, andere wegen ihrer Vergangenheit. Das alles war vielleicht doch weniger merkwürdig, dachte Bernstein, als die Tatsache, dass so gut wie niemand je gesehen hatte, wie Schultz Geld für sich selbst ausgab oder etwas zu seinem Vergnügen kaufte. In den dreißig Jahren, in denen Schultz in dem Haus auf dem Berg gelebt hatte, war das Taxiunternehmen nur selten angerufen worden, um ihn in die Stadt zu fahren. Nie hatte man ihn im Kino oder in Wirtshäusern gesehen, auch war er nicht regelmäßig mit der Bahn gefahren. Was hatte er in seiner Freizeit gemacht? Vielleicht ist er ja ein Geizkragen, dachte Bernstein, vielleicht hat er immer nur Geld gespart. Man konnte einem Mann nicht verwehren, ein Haus zu erben, nur weil er sich überhöhte Rechnungen geben lassen und Geld gespart hatte, aber Bernstein meinte, den gewundenen Pfad zur Gerechtigkeit nun deutlicher zu sehen.

28
    Es war kurz nach zehn Uhr. »Mrs Hopkins ist in der Leitung, Mr Hopkins«, sagte Miss MacDonald. »Nehmen Sie den Anruf gleich entgegen?«
    »Selbstverständlich!«, sagte Hopkins. »Stellen Sie sie durch.«
    »Ralph?«, meldete sich Helens Stimme.
    »Hallo, Liebes«, sagte er. »Was kann ich für dich tun?«
    »Ralph, kannst du herkommen? Ich möchte mit dir reden.«
    »Gern«, sagte er. »Gern! Ich habe einige Termine, aber die kann ich absagen. Wann soll ich da sein?«
    »Versuch doch, zum Mittagessen zu kommen. Es ist wichtig, Ralph. Es ist wegen Susan.«
    »Susan? Was ist mit ihr?«
    »Sie hat mir gerade gesagt, sie weigert sich, aufs College zu gehen. Ich mache mir Sorgen um sie, Ralph. Wir reden weiter, wenn du da bist.«
    »Ich komme sofort«, sagte er.
    Nachdem er Tom angerufen und den Mittagstermin verschoben hatte, ließ Hopkins sich von seinem Chauffeur nach South Bay fahren. Als der Wagen in die Einfahrt bog, versuchte Hopkins, nicht auf das riesige flache Haus zu schauen, wovon ein Flügel über den Rand

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