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Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sloan Wilson
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schwacher Stimme.
    Er rannte die Treppe hinauf ins Schlafzimmer, wo sie voll bekleidet auf dem Bett lag. »Was ist denn los?«, fragte er.
    »Ach Tom, mir geht’s ganz elend«, antwortete sie. »Es hat mich erwischt, gleich nachdem du heute Morgen gegangen bist, aber ich wollte dich nicht anrufen, damit du dir keine Sorgen machst. Sieh doch bitte mal nach, ob mit den Kindern alles in Ordnung ist.«
    Er trat in das Zimmer, das sich die drei Kinder teilten. Die Betten waren ungemacht, und auf dem Fußboden war ein Durcheinander aus Kleidern und Spielsachen. Pete war nackt, und Barbara und Janey trugen nur Unterwäsche. Alle drei zeigten die Verheerungen der Windpocken auf Gesicht und Körper, aber sie blickten fröhlich zu Tom hoch.
    »Mama ist krank«, sagte Janey erfreut. »Wir haben uns um sie gekümmert.«
    »Dir geht’s aber auch nicht so gut«, sagte Tom. »Du solltest eigentlich im Bett sein.«
    »Wir malen «, sagte Janey empört.
    Tom wühlte einige Schubladen durch und holte Schlafanzüge für sie heraus. Er half ihnen beim Anziehen und steckte sie ins Bett, dann ging er wieder zu Betsy.
    »Ich bin eingeschlafen«, sagte Betsy. » Ich habe versucht, sie im Auge zu behalten, aber ich bin eingeschlafen. Sie sind wirklich Engel – ich habe ihnen gesagt, dass es mir nicht so gut geht, und dann haben sie den ganzen Tag über nur geflüstert.«
    Tom legte ihr die Hand auf die Stirn. Sie war trocken und heiß. Er kramte in dem Medizinschränkchen im Bad und kam mit einem Thermometer wieder.
    »Ist es auch wirklich das, das man in den Mund steckt?«, fragte Betsy argwöhnisch.
    »Klar«, sagte er. »Steck’s dir unter die Zunge.«
    Während sie die zwei erforderlichen Minuten abwarteten, rief Janey plötzlich laut und klar: »Papa, stirbt Mama jetzt?«
    »Nein«, sagte er.
    »Aber wenn sie doch stirbt«, spekulierte Janey weiter, »wer kümmert sich dann um uns?«
    »Sie stirbt aber nicht!«, sagte Tom.
    »Aber wenn doch …«
    »Ich sterbe nicht!«, stieß Betsy hervor und versuchte dabei, den Mund um das Thermometer geschlossen zu halten.
    »Trotzdem«, sagte Janey, »dann würde sich wohl Großmutter um uns kümmern, oder?«
    »Macht euch um mich keine Sorgen, Kinder«, sagte Betsy. »Ich werde schon wieder gesund.« Sie hielt das Thermometer ans Licht.
    »Wie viel ist es?«, fragte Tom.
    »Neununddreißig vier.«
    »Hast du schon mal Windpocken gehabt?«
    »O Gott!«, sagte sie. »Natürlich, bestimmt hatte ich die schon mal! Das kriegen doch alle Kinder!«
    »Kannst du dich noch daran erinnern?«
    »Nicht genau«, sagte sie. »Ich nehme nur an, dass …«
    »Dann rufen wir lieber mal den Arzt«, sagte er.
    Er rief Dr. Grantland an. Es war ihm immer unangenehm, ihn zu belästigen, weil Dr. Grantland, obwohl erst Mitte vierzig, Rheuma und Asthma hatte. Nachdem das Telefon längere Zeit geklingelt hatte, nahm der Arzt keuchend ab.
    »Soll ich vorbeikommen?«, fragte er Tom, nachdem der ihm Betsys Symptome beschrieben hatte.
    »Wenn es Ihnen nicht zu viel Mühe macht«, sagte Tom.
    Der Arzt keuchte besorgniserregend, sagte dann aber tapfer: »Schon gut, schon gut. Ich werd’s wohl schaffen.«
    Während sie auf den Arzt warteten, erzählte Tom Betsy von seiner Verabredung zum Mittagessen mit Hopkins. »Wer ist das?«, fragte sie.
    »Der Vorstandsvorsitzende von United Broadcasting.«
    »Das ist aber schön«, sagte sie matt. »O Tommy, ich hab solche Kopfschmerzen!«
    »Was gibt’s zum Abendessen?«, rief Barbara. »Mutter hat uns zu Mittag nur Suppe gegeben, wir haben Hunger!«
    »Ich mache euch gleich Abendessen«, sagte Tom. »Der Arzt kommt zu Mutter.«
    »Gibt er ihr eine Spritze?«, fragte Janey begeistert.
    »Keine Ahnung.«
    »Wenn er es macht, darf ich zusehen?«
    »Nein!«, sagte Tom. »Du bleibst im Bett.«
    »Ich ertrage das nicht«, sagte Betsy. »Windpocken! Warum habe ich die nicht als Kind gekriegt?«
    »Du wirst schon nicht sehr krank«, sagte Tom.
    »Doch! Und ich weiß auch, warum ich sie als Kind nicht gekriegt habe – weil Mutter so verdammt gut auf mich aufgepasst hat. Sie hat mich nie mit anderen Kindern spielen lassen, weil sie Angst hatte, ich stecke mich mit irgendwas an.«
    »Ich verstehe nicht, warum wir nicht zusehen dürfen, wie sie eine Spritze kriegt«, rief Janey. »Sie guckt immer zu, wenn der Arzt uns eine gibt!«
    »Still jetzt!«, sagte Tom. »Ich gehe nach unten und räume ein bisschen auf, bevor der Arzt kommt.«
    Er warf die schmutzige Wäsche die Kellertreppe hinab,

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