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Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sloan Wilson
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sagen, vor allem dem Vorstandsvorsitzenden, sich einen Ruf für Wohltätigkeit zu erwerben. Schließlich wird Hopkins immer als Vorstandsvorsitzender der United Broadcasting Corporation identifiziert werden, und wenn er was Gutes und auch irgendwie Intellektuelles tut, wäre das so ungefähr der billigste Weg, auf dem das Unternehmen zu Ansehen kommen könnte.«
    »Mag sein«, sagte Tom.
    »Vielleicht ist es ja auch komplizierter«, fuhr Bill fort. »Hopkins hat Geschmack an der Macht im Unternehmen gefunden. Vielleicht gefällt ihm das und er möchte mehr. Innerhalb des Unternehmens geht das aber nicht. Es ist also durchaus möglich, dass er sich entschlossen hat, in die Politik zu gehen. Als Erstes müsste er dann irgendwas für die Allgemeinheit machen – im Moment wäre er noch politisches Gift. Aber wäre er erst mal im ganzen Land als derjenige bekannt, der das sehr erfolgreiche Komitee für psychische Gesundheit aufgebaut hat, wer weiß? Und du könntest der erste Mann in der Kampagne Hopkins-zum-Präsidenten werden!«
    »Haben wir nicht eine Möglichkeit vergessen?«, fragte Tom.
    »Welche?«
    »Dass er es ernst meint. Dass er vielleicht tatsächlich Gutes tun will. Dass er, nachdem er sich all die Jahre auf sein Privatvermögen konzentriert hat, an einen Punkt gekommen ist, an dem er etwas fürs allgemeine Wohlergehen tun will, ohne jede Vorbedingung.«
    »Wäre möglich«, sagte Bill zweifelnd. »Aber wenn das stimmt, wäre es schrecklich langweilig!«
    »Kennst du ihn denn wirklich?«, fragte Tom. »Weißt du wirklich, was er für einer ist?«
    »Verdammt«, sagte Bill, »seit vier Jahren arbeite ich nun für diesen Laden, und ich habe den Kerl noch nie zu Gesicht bekommen. Es gibt alle möglichen Geschichten über ihn – anscheinend hat er zwei Kinder und war in den letzten zwanzig Jahren zweimal zu Hause. Ich glaube, sein Sohn ist im Krieg gefallen – aber davon spricht auch kein Mensch mehr. Es heißt, er braucht weniger Schlaf als Edison. Es heißt, er kennt sein gesamtes Ablagesystem praktisch auswendig und kann aus jedem wichtigen Schreiben oder Vertrag darin zitieren. Manche sagen, er hat eine kleine Blonde in der Park Avenue. Manche sagen, er schläft mit einer Schauspielerin, die einmal im Monat aus Hollywood einfliegt. Ich habe sogar schon mal gehört, er ist ein Warmer. Aber keiner von denen, die solches Zeug in Umlauf setzen, kennt ihn richtig. Die beiden Einzigen, von denen ich weiß, dass sie richtig mit ihm zusammenarbeiten, sind Walker und Ogden, und die reden natürlich nie über ihn. Ganz ehrlich, ich habe nicht die leiseste Ahnung, was er für einer ist, nur dass er verdammt clever sein muss, um dahin gekommen zu sein, wo er jetzt ist.«
    »Es dürfte ziemlich interessant sein, für ihn zu arbeiten«, sagte Tom.
    »Kann sein«, antwortete Bill, »aber eines sollte ich dir noch sagen: Jeder sagt, er ist ein harter Hund. Kannst du nicht, was er von dir erwartet, feuert er dich, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber ich habe nicht mal einen Schimmer, ob das stimmt, jedenfalls sagen es alle.«
    »Klingt für mich ganz in Ordnung, wenn man kann, was er von einem erwartet«, sagte Tom. »Wenn man es richtig gut macht, ist er auch fix mit einer Gehaltserhöhung?«
    »Keine Ahnung. Du wärst überrascht, wie ein Unternehmen von dieser Größe jeden Cent zweimal umdreht – neulich haben sie sogar eine Anweisung rausgegeben, wir sollen unsere Büroleuchten ausmachen, wenn wir sie nicht nutzen, und uns gebeten, keine Bleistifte mehr zu klauen. Aber ich würde sagen, es ist immer eine gute Sache, für einen Mann zu arbeiten, der zweihunderttausend im Jahr macht. Zumindest hast du noch einiges vor dir, bevor du mit dem Boss mithalten kannst.«
    »Wenn ich die Stelle kriege, nehme ich sie auch, glaube ich«, sagte Tom.
    Bill leerte sein Glas und zündete sich eine Zigarette an. »Wenn nicht, bist du verrückt«, sagte er.

6
    Tom glaubte, Betsy wäre ganz aufgeregt, wenn sie hörte, dass er eine Verabredung zum Mittagessen mit dem Vorstandsvorsitzenden der United Broadcasting Corporation habe, doch schon als er am Abend ins Haus kam, wusste er, dass etwas nicht stimmte. Das Haus sah aus, als wäre eine Herde Wildpferde hindurchgetrampelt. Im ganzen Wohnzimmer lag ungemachte Wäsche verstreut. Und in der Küche war eine Mischung aus schmutzigen Mittags- und Frühstückstellern auf dem Tisch und den Arbeitsplatten verteilt.
    »Betsy!«, rief er im Wohnzimmer. »Wo bist du?«
    »Oben«, sagte sie mit

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