Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)
Invasion der Inseln im Pazifik durch den Einsatz von mehr Fallschirmjägern Leben retten konnte. Wir nehmen die Inseln aus der Luft statt über die Strände, hatte jemand gesagt – schickt uns mehr Fallschirmjungs, wir wollen die Sache schnell beenden und dann alle nach Hause gehen.
»Ein neuer Tag, ein neuer Krieg«, hatte Mahoney gesagt, als er davon hörte.
Tom hatte nichts gesagt. Einen Krieg habe ich überstanden, hatte er gedacht. Einen weiteren überstehe ich nicht. Die Chancen werden geringer. Die werfen einen einmal rein, und man kämpft sich wieder raus. Man macht es ein zweites und auch noch ein drittes Mal. Aber früher oder später erwischt es einen. Es ist wie beim Würfeln – früher oder später hat man die zwei Einsen. Wenn sie mich in den Pazifik schicken, komme ich nicht zurück.
Damals hatte er, kaum dass er erfuhr, wohin er musste, ein klares Bild des japanischen Soldaten gehabt, eine Karikatur mit einem kleinen, bösen Gesicht, die grinste und mit einem Bajonett drohte. Der ist für mich, dachte er. Der wartet da auf mich. Ich hab’s den Deutschen gezeigt und dann den Italienern, und jetzt zeigen’s die Japse mir.
»Immerhin«, hatte Hank gesagt, »wollen sie uns eine Woche hier geben, bevor’s losgeht, und die soll auch nicht als Urlaub zählen.«
»Eine Woche?«, hatte Tom gesagt.
»Ja! Wie viel Geld hast du?«
»Ich bin pleite«, hatte Tom gesagt. Seine Zuwendung an Betsy hatte ihm nie viel gelassen. Seit Kriegsbeginn hatte er ihr zwei Drittel seines Solds angewiesen, und sie hatte alles auf ein Sparkonto getan, damit sie sich nach dem Krieg ein Haus kaufen konnten. Bis dahin hatte es ihn nie gestört, pleite zu sein.
»Keine Sorge«, hatte Hank gesagt. »Ich habe jede Menge. Ich hab beim Würfeln sechshundert Mäuse gewonnen, davon geb ich dir die Hälfte. Diese Woche wird unvergesslich werden!«
Betsy, hatte Tom gedacht, aber irgendwie hatte sie sich in nichts als eine ironische und ziemlich schmerzliche Erinnerung aufgelöst, etwas, was er von sich fernhalten musste. Ich habe eine Woche, hatte er gedacht, eine Woche in Rom, in der wir die Stadt auf den Kopf stellen. Und zu Mahoney hatte er gesagt: »Okay, Hank, dann los.«
Und die Woche wurde unvergesslich. Sie hatten in einer kleinen Bar im Souterrain eines billigen Hotels angefangen. In der Ecke hatte ein weiß gestrichenes Klavier gestanden, an dem ein dünner, glatzköpfiger Blinder sehr schlecht alten amerikanischen Jazz spielte. Dort hatte er dann auch Maria kennengelernt. Sie war zögernd und in furchtbar offensichtlicher Absicht hereingekommen, und jeder im Raum hatte aufgeblickt und sie angesehen, ein hübsches Mädchen, achtzehn Jahre alt, in einem abgetragenen schwarzen Kleid und einem Mantel, der einmal einem Soldaten gehört hatte. Sie war schüchtern an die Bar getreten und hatte sich ein Glas Wermut bestellt. Sie hatte sich auf einen Barhocker gesetzt und den Mantel ausgezogen, der ungeschickt für sie geändert worden war, und sie hatte ihn sich über den Schoß gelegt und langsam an ihrem Wermut genippt, damit sie lange etwas davon hatte. Tom hatte sie kühl gemustert. Jung, gute Figur und ein Gesicht, das, wäre es entspannt gewesen, schön hätte sein können – es konnte genauso gut auch sie sein. Wenn man nur eine Woche hat, kann man sich nicht ewig umsehen. Er war zu ihr hingegangen und hatte sich neben sie gesetzt. »Kann ich Sie zu einem Glas einladen?«, hatte er sie gefragt.
Es war richtig romantisch gewesen. Sie hatte mit einem gezwungenen Lächeln zu ihm aufgeschaut. »Danke«, hatte sie mit einem starken italienischen Akzent gesagt. Ihre Stimme war leise und verzagt gewesen.
»Na, wie ich sehe, bist du schon versorgt«, hatte Hank gesagt, als er zu ihm kam und sich neben Tom an die Bar lehnte. »Ich zieh mal weiter – sonst ist hier ja nichts mehr. Treffen wir uns morgen Vormittag wieder hier.«
»Ist gut«, hatte Tom gesagt.
Und so hatte er neben Maria gesessen und an seinem süßen Wermut genippt, im Kopf noch das Bild von dem grinsenden kleinen Mann mit dem Bajonett. »Du schaffst das schon«, hatte Betsy in ihrem letzten Brief geschrieben. »Ich bin mir absolut sicher, dass du wieder nach Hause kommst.«
Die hübsche Betsy, hatte er gedacht und an seinem süßen Wermut genippt. Die hübsche Betsy mit den hübschen Schultern und der weichen, sonnengebräunten Haut. Ich denke jetzt nicht an Betsy.
Ich habe eine Woche, hatte er gedacht, sieben Tage und sieben Nächte, die Zeit, in der
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