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Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sloan Wilson
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hilflos wie ein Patient auf einem Operationstisch.
    »Beeil dich«, hatte Hank nervös gesagt. »Wir müssen weg.«
    Tom hatte sich neben den Posten gekniet. Er hatte nicht geglaubt, dass es schwierig werden würde, doch die Sehnen am Hals des Jungen hatten sich als zäh erwiesen, und plötzlich hatte sich der Posten aufgesetzt. Wie ein Rasender hatte Tom ihm dann das Messer wiederholt in den Hals gestoßen, es mit aller Kraft hineingerammt, bis er fast den Kopf vom Hals getrennt hatte.
    »Komm jetzt, das reicht«, hatte Hank schockiert gesagt. »Hauen wir ab.«
    Zitternd war Tom aufgestanden und Hank aus dem Wald gefolgt. Sie waren um das Panzerdepot herumgelaufen, bis sie auf der anderen Seite der Schlucht auf einen ausgebrannten Panzer stießen, der dort wahrscheinlich darauf wartete, als Alteisen zurück nach Deutschland gebracht zu werden. Sie waren in den Schrottpanzer gestiegen und hatten sich bis Einbruch der Dunkelheit in das ausgeglühte Metall gedrückt.
    In den Taschen seiner neu erworbenen Lederjacke hatte Tom Schokolade, Hustenbonbons und eine Brieftasche ohne Geld gefunden, dazu einen Ausweis mit dem Bild eines schmalen, ernst dreinschauenden Achtzehnjährigen namens Hans Engelhart, dazu auch noch einen Brief, dessen dünnes, blaues, leicht parfümiertes Papier mit einer feinen, femininen Schrift beschrieben war, doch der Brief war auf Deutsch gewesen, und Tom hatte ihn nicht lesen können. In der oberen linken Ecke des Umschlags stand eine Adresse, offenbar die der Absenderin. Da war ihm kurz der absurde Gedanke, ihr zu schreiben, durch den Kopf gegangen. Was würde er schreiben? »Heute Morgen habe ich Ihren Jungen getötet, und ich möchte Ihnen gern mein Beileid schicken. Er war in der falschen Armee, aber er war bestimmt ein netter Junge, und es tut mir leid, dass es so passieren musste.« Aus einem Impuls heraus hatte er den Brief in kleine Schnipsel zerfetzt, auch den Umschlag, und sich in dem Versuch, das Gefühl des zustoßenden Messers in seiner Hand zu vergessen, zum Schlafen in die Asche gelegt.
    Nach Einbruch der Dunkelheit waren Tom und Hank Mahoney dann aus dem Panzerwrack geklettert und hatten sich auf den weiten, verschlungenen Weg zu den eigenen Linien gemacht. Am Panzerlager vorbei waren sie wieder in den Wald gegangen. In der Dunkelheit hatten sie versucht, sich westlich zu halten, hatten aber bald die Orientierung verloren und nach ungefähr zwei Stunden erkannt, dass sie dahin gingen, wo sie hergekommen waren.
    »In ein paar Minuten kommt der Mond raus, dann sehen wir mehr«, hatte Hank gesagt. »Lass uns ein bisschen verschnaufen.«
    Sie waren weitergegangen, bis sie zu einem Baumstamm kamen, auf den sie sich setzten. Durch kahle Äste hindurch hatten sie in einiger Entfernung den Mond über die Kuppe eines Berges steigen sehen. Allmählich hatte sich das Dunkel aufgelöst. Sie waren gerade wieder aufgebrochen, als Tom die beiden Leichen bemerkte, die noch genauso dalagen, wie sie sie zurückgelassen hatten, nur dass ihre Gesichter das höhnische Grinsen des Todes aufgesetzt hatten.
    »Die lachen wohl zuletzt«, hatte Hank gesagt. »Ich glaube, wir kommen hier nie mehr raus. Die Toten lachen immer zuletzt.«
    »Komm schon«, hatte Tom geantwortet. »Wir müssen es versuchen.«
    Gemeinsam waren sie dann weitergelaufen, kamen im Mondschein besser voran. Gegen Mitternacht waren sie zu dem Feld gekommen, auf dem sie gelandet waren. Es war noch immer mit Ausrüstungsgegenständen und Toten übersät. Von Leiche zu Leiche schleichend hatten sie sechs Packungen Notrationen und fünf Feldflaschen voller Wasser eingesammelt. Nachdem sie sich satt gegessen und getrunken hatten, liefen sie weiter. Kurz vorm Morgengrauen hatten Erschöpfung und die anhaltende Kälte sie benommen gemacht, und sie waren weitergetaumelt, hatten sich aneinander festgehalten wie Betrunkene, die von einer Party heimkehren. Es war kein Wald mehr gekommen – nur Felder, die wenig Schutz boten. »Bevor es heller wird, müssen wir etwas finden, wo wir uns verstecken können«, hatte Tom gesagt. Bei Sonnenaufgang hatten sie einen Krater entdeckt, den ein abgestürztes Flugzeug in die Erde gebohrt hatte. Begierig waren sie in das zerborstene Wrack darin gestiegen, nur um von einem schrecklichen Gestank empfangen zu werden. »Das halte ich nicht aus«, hatte Mahoney gesagt. »Gehen wir weiter.«
    »Nein«, hatte Tom gesagt und zu den endlosen Feldern hin genickt, die vor ihnen lagen. »Da würden sie uns bestimmt

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