Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)
ihrer Nacktheit, noch als die Leidenschaft verbraucht war, hatten sie endlos geredet, alle Probleme, jeden Zorn und jede Furcht besprochen, und in dieser Woche war nichts mehr schlimm gewesen, nicht einmal die unausweichliche Aussicht auf den grinsenden kleinen Mann mit dem Bajonett, den er ihr vorstellte und den sie traurig akzeptierte als einen Menschen, den sie gut kannte. Sie hatten einander verstanden, die drei, Tom, Maria und die Karikatur des Mannes, der mit seiner Waffe wartete.
Am Ende dieser Woche hatte Tom sich von ihr verabschiedet und sich wieder bei seiner Einheit gemeldet, nur um zu erfahren, dass noch kein Transportmittel bereitstehe und dass er wohnen könne, wo er wolle, so lange er sich nur jeden Morgen um acht Uhr im Hauptquartier melde oder wenigstens anrufe. Er war zu ihrem Zimmer zurückgekehrt, und es war genauso gewesen, als wäre er nach langer Abwesenheit heimgekehrt, der junge Ehemann, der aus dem Krieg kommt: Beide hatten es so empfunden, beide hatten sie das große Glück des Wiedersehens erlebt, ohne die Verlegenheit, die auf lange Abwesenheit folgt.
Er hatte mit ihr in dem Zimmer gelebt und immerzu gedacht, jeder Tag könne der letzte sein, dass am nächsten Tag um acht Uhr der Sergeant, der das Telefon abnahm, sagen werde: »Ja, richtig, Captain Rath – in zwei Stunden geht das Flugzeug. Kommen Sie mal schnell.« Er hatte seine Sachen fertig gepackt, und jeden Morgen um sieben Uhr hatte er sie geküsst, war aufgestanden und hatte sich vollständig angezogen, falls er sich beeilen müsste, und jeden Morgen sieben Wochen lang hatte der Sergeant gesagt: »Noch nichts, Captain – der Colonel meint, ich soll Ihnen sagen, Sie sollen sich auch morgen wieder melden.«
So hatte es neunundvierzig letzte Tage gegeben, und die größte Freude auf der Welt war gewesen, von dem Restaurant, von dem aus er um acht Uhr telefoniert hatte, zu ihr zurückzukehren, in der Klammheit ein wenig zitternd, und sie entzückt sagen zu hören: »Noch nicht?«
»Noch nicht!«, hatte er neunundvierzig Mal gesagt und war, noch zitternd von der Morgenkälte, neben sie ins warme Bett geschlüpft.
Während dieser neunundvierzig Tage waren sie zusammen alt geworden, mit den Schwächen des anderen geduldig gewesen, und sogar alte Familienfreunde hatten sie gefunden, Männer in Bars, die ihnen zunickten und sie als Paar akzeptierten, das zusammengehörte, alte Frauen an Straßenecken, die Maria als verheiratete Frau ansprachen, ebenso ehrbar wie sie selbst. Besonders einen Freund hatten sie gefunden, fast ein Onkel oder vielleicht ein Bruder, ein melancholischer Mann, der eine Bäckerei besaß, in der heißer Kaffee serviert wurde, wunderbar, dort zu frühstücken. Der Mann hatte Lapa geheißen, Louis Lapa, und er hatte mit den Deutschen gegen die Amerikaner gekämpft und ein wenig später mit den Amerikanern gegen die Deutschen, hatte beide Male gut gekämpft, aber ohne Begeisterung. Schließlich war er verwundet worden und mit einem Gipsbein in die Bäckerei zurückgekehrt, und wenn Tom und Maria sich in seinem Laden zum Frühstück hinsetzten, brachte er eigenhändig warme Brötchen und Kaffee, stark humpelnd und hustend, aber immer mit einem Lächeln. Nach den ersten Tagen hatte er sich häufig zu ihnen gesetzt und selbst eine Tasse Kaffee getrunken, und ohne dass man es ihm gesagt hätte, wusste er natürlich eine Menge über Tom und Maria, wusste, dass sie sich erst vor kurzem kennengelernt hatten und sich bald wieder trennen müssten, was er traurig fand, aber als Freund. Sie waren gut mit Louis bekannt geworden und hatten ihn sogar auch einmal zu sich auf ihr Zimmer eingeladen, und sie hatten einen ruhigen Familienabend verbracht, und Louis hatte Marias Schönheit gepriesen, so wie ein freundlicher Bruder oder Onkel die Schönheit einer jungen Ehefrau bewundern würde. Er hatte sie als schönstes Mädchen Roms bezeichnet und Tom gesagt, er sei ein Glückspilz, und Tom hatte geantwortet, das sei wohl wahr, und das hatte er auch selbst empfunden.
Sie hatten viele Freunde gehabt, andere Amerikaner, die mit italienischen Mädchen zusammenlebten, und einer war Caesar Gardella gewesen, der sich als streng religiös erwies und sogar versucht hatte, beim Papst eine Audienz zu bekommen, und der jedem erzählte, er werde nach dem Krieg nach Rom zurückkehren und sein Mädchen heiraten. Sein Mädchen hatte Gina geheißen – sie war eine Cousine Marias oder irgendwie entfernt verwandt mit ihr. Tom und Caesar und Gina
Weitere Kostenlose Bücher