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Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sloan Wilson
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womöglich nicht so schnell vergessen, und zwischen ihm und Caesar wäre manches anders geworden. Wie hatte es begonnen? Zunächst hatte er von Karkow nur als Gerücht gehört, auf dem Flug von Europa. Nachdem er wochenlang in dem Durchgangslager für Offiziere in Neuguinea gelegen hatte, war das Gerücht angewachsen, bis es von einem Colonel bestätigt wurde, als er Tom und Mahoney und viele weitere Offiziere in sein nüchternes Büro mit einer nüchternen Landkarte an der Wand gerufen hatte, um sie zu instruieren.
    Karkow war eine kleine, zerklüftete Insel mit einer steilen Felsenküste an allen Seiten bis auf einer. Die Japse hatten, wie die Briten vor ihnen, viele Geschütze auf den Kiesstrand auf dieser einen Seite gerichtet und auf die Invasion gewartet, und sie hatten die Insel mit Tunneln und Höhlen durchzogen. Die Insel lag am Eingang zu einer weiten Bucht, und sie musste eingenommen werden – daran zweifelte niemand. Der Plan dafür war einfach, wie der Colonel sie in seiner nüchternen Art erklärt hatte: Dreitausend Fallschirmjäger würden darüber abgeworfen.
    »Gottverdammt!«, hatte Mahoney am Abend nach den Ausführungen des Colonel gesagt. »Wissen die denn gar nicht, wie Fallschirmjäger vorgehen? Man springt doch nicht einfach direkt auf den verfluchten Feind. Man wirft doch nicht dreitausend Mann direkt auf Nester mit Flugabwehrgeschützen und MG und Tausenden bewaffneten Männern, die nur darauf warten!«
    »Tja, dieses Mal wohl«, hatte Caesar bitter gesagt. »Der Colonel geht davon aus, dass die Navy vor unserer Landung jedes verdammte Geschütz von der Insel geballert hat. Habt ihr das denn nicht gehört?«
    »Möchte mal wissen«, hatte Tom gesagt, »wie viele von uns überhaupt auf der verfluchten Insel ankommen. Die ist ja ziemlich klein. Bestimmt kippen die doch die Hälfte von uns ins Wasser.«
    Es war geplant, morgens um vier Uhr für den Absprung abzuheben und mit der Landung der Truppen auf der Insel im Morgengrauen zu beginnen. Es war vorgesehen, dass die Navy die Insel zwei Tage davor beschoss und dann Landungsboote hinschickte, damit die Japse glaubten, die Invasion komme von See her.
    Ich werde vernünftig sein, hatte Tom am Spätnachmittag vor der Invasion gedacht. Ich werde vernünftig sein und früh zu Bett gehen, damit ich ausgeruht bin. Er hatte sich auf sein Feldbett gelegt und angestrengt versucht, an nichts zu denken, seine Gedanken völlig zu entleeren. Er hatte nicht an die kleine Insel Karkow denken wollen, die nun unterm Artilleriefeuer der Navy lag und auf der die Japse in ihren Höhlen hockten. Er hatte nicht an Betsy denken wollen und auch nicht an Maria. Wie schmerzhaft die Erinnerung an einen Kuss oder an sonst etwas Gutes, was er nie wieder haben sollte, gewesen wäre! Er hatte still dagelegen und so getan, als schliefe er, als Mahoney hereinkam und sich auf dem Feldbett neben ihm ausstreckte.
    »Tom?«, hatte Mahoney nach einigen Minuten gefragt.
    »Ja.«
    »Schon komisch«, hatte Mahoney gesagt. »Ich hab gerade gedacht, wir brauchen uns doch gar keine Sorgen zu machen. Also, entweder erwischt es uns morgen nicht, dann brauchen wir uns keine Sorgen mehr zu machen, oder es erwischt uns, dann brauchen wir uns auch keine Sorgen zu machen.«
    »Großartig.«
    »Nein, im Ernst. Ich hab mir solche Sorgen gemacht, was für eine Arbeit ich nach dem Krieg wohl bekommen würde. Jetzt mache ich mir darüber keine Sorgen mehr.«
    »Keine Sorgen«, hatte Tom gesagt.
    Sie hatten beide auf ihrem Feldbett gelegen und konnten nicht schlafen, und dann hatte eine merkwürdig heitere Stimmung, fast Fröhlichkeit von ihnen Besitz ergriffen. Gegen ein Uhr hatten sie ihre Bemühungen um Schlaf aufgegeben und waren zu einer Feldapotheke in der Nähe gegangen, wo ein paar Ärzte Poker spielten. Sie hatten mitgespielt und auch ein paar Gläser medizinischen Alkohols von den Ärzten angenommen, sich aber nicht betrunken, denn das wäre Wahnsinn gewesen. Es wäre auch gar nicht nötig gewesen. Die Witze waren alle erstaunlich lustig gewesen, ja, jeder war lustig gewesen. Die Ärzte hatten nicht gewusst, dass er und Mahoney schon wenige Stunden später nach Karkow abfliegen würden. Einer hatte sich bitter darüber beklagt, dass er die ganze Nacht Dienst hatte, und darüber, was für ein großes Opfer ein Arzt in der Army bringt, weil er in der Heimat zehnmal mehr verdienen würde. Mahoney hatte Verständnis für ihn gezeigt, sein großes Gesicht bedrückt und einfühlsam, ohne jede

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