Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)
Steuerleinen seines Fallschirms gezerrt, ihm ein wenig Wind genommen und war über den Rand der Steilwand hinweggesegelt. Von unten waren ihm in flachem Bogen Leuchtspurgeschosse entgegengekommen, langsam, wie Kerzenflammen in der Luft. Dann hatte es einen jähen Aufprall gegeben, und er war über Steine gezogen worden, hatte an den Gurten gezerrt, bis er, von seinem Fallschirm befreit, in einer Rinne lag, das Gewehr in der Hand, um ihn herum Gewehrfeuer und die heiseren Schreie von Männern.
Überall waren Japse gewesen, und die Fallschirmjäger waren wie Regen überall auf die Insel gefallen. Es hatte keine klare Gefechtslinie gegeben, nur ein Gemenge, Japse und Fallschirmjäger alle durcheinander. Und wie Tom vorausgesehen hatte, waren viele der Unerfahrenen zu furchtsam, um zu feuern, hatten gefürchtet, die eigenen Leute zu töten. Sie waren erstarrt, und Tom war aus seiner Rinne gekrochen, hatte seine Leute zusammengeholt, sie beschimpft und ihnen ihr Gewehr in die Hand gedrückt. Die Japse hatten sich nicht gefürchtet zu feuern – sie hatten es als selbstverständlich hingenommen, dass sie auch eigene Leute töten konnten. Da war es nötig gewesen, dass auch die Fallschirmjäger feuerten.
Hank Mahoney war hinter einem Felsbrocken gewesen nahe der Schlucht, wo Tom gelandet war, und unmittelbar links von ihm hatten drei Japse mit einem Mörser gehockt. Tom hatte Gardella entdeckt, und die beiden hatten Teile der Kompanie zusammengezogen und gerade den japanischen Mörser ausschalten können, als Mahoney hinter seinem Felsbrocken hervorrannte. Tom hatte aus den Augenwinkeln eine laufende Gestalt gesehen, war herumgewirbelt und hatte eine Handgranate geworfen. »Nein!«, hatte Gardella gebrüllt, aber zu spät. Als die Handgranate noch durch die Luft flog und Mahoney noch rannte wie ein Schuljunge, der einen Offensivpass zu erlaufen sucht, hatte Tom erkannt, wer es war, aber da war die Handgranate auch schon explodiert, Mahoney zusammengesackt, und gleichzeitig hatte ein Maschinengewehr das Feuer auf Tom und seine Männer eröffnet. Tom hatte Gardella und seinen Männern bedeutet, in einem Bombenkrater nahebei in Deckung zu gehen. Er selbst hatte sich flach auf die Erde gepresst und war zu Hank gerobbt. Hank hatte auf dem Bauch gelegen, und auf dem Rücken war keine Verletzung zu sehen gewesen. »Hank?«, hatte Tom gesagt. Keine Antwort. Tom hatte die Hand unter Mahoneys Arm geschoben und ihn umgedreht. Mahoney hatte es die ganze Brust weggerissen, sodass die nackten Lungen und die zersplitterten Rippen offenlagen. Sein Gesicht war unversehrt und heiter gewesen. Vielleicht hatte das neben dem panikartigen Schwall von Selbstvorwürfen zu Toms Irrsinn beigetragen. Kühn und verblüffend geistesklar hatte er sich an die Bergung einer Leiche gemacht. Er hatte Hanks blutdurchtränkten Leichnam aufgehoben und war losgerannt, dabei geschickt hinter Fels um Fels in Deckung gegangen. Bei einer Höhle voller Japse hatte er Hank vorsichtig in einem Bombentrichter abgelegt, war unter schwerem Maschinengewehrfeuer bis auf fünf Meter an den Eingang der Höhle gekrochen und hatte zwei Handgranaten hineingeworfen. Als sich Qualm und Staub verzogen hatten, war er mit einem Messer in die Höhle gegangen, wo er sechs tote und einen halb lebendigen Japs vorgefunden hatte. Den hatte er mit grimmigem Vergnügen erledigt und war ruhig zu Hanks Leiche zurückgekehrt. Er hatte ihn aufgenommen, als wäre er ein Kind, und war weiter über die Insel gelaufen. Er hatte sich fast bis zum Strand auf der anderen Seite durchgekämpft, als ihm einfiel, dass er ja gar nicht wusste, wohin er ging, denn am Strand war nichts, und Ärzte waren noch nirgendwo auf der Insel abgesetzt worden. Und so hatte er Hanks Leiche in einen von Bomben aufgerissenen kleinen Bunker gebracht, sich über ihn gekniet und in seinem Schmerz die äußerste Wahnsinnstat begonnen, nämlich Hanks schrecklich zerfetzten Körper künstlich zu beatmen. Er hatte sich bruchstückhaft an seinen Unterricht in Erster Hilfe erinnert, den er als Junge mitgemacht hatte, und unerbittlich Hanks immer steifer werdende Arme auf und nieder gezerrt, doch als einziges Ergebnis war aus Hanks Nase und Mund Blut gequollen. Er hatte nicht gewusst, wie lange er ihn schon künstlich beatmet hatte, aber nach langer Zeit war ihm ins Bewusstsein getreten, dass die Schüsse außerhalb des Bunkers aufgehört hatten. Auf der gesamten Insel war plötzlich Stille eingekehrt. Und so hatte er Hanks Leiche
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