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Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im grauen Flanell: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sloan Wilson
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anrief, brauchte Dick nur zu sagen: »Tom Rath? Ach, ich weiß nicht. Ich glaube, ich möchte über Mr Rath nichts Verbindliches sagen, weder in die eine noch in die andere Richtung. Er ist ein netter Mensch, wissen Sie, ein schrecklich netter Mensch. Das würde ich jederzeit sagen!«
    Andererseits wäre es peinlich, wenn er Dick sagte, er suche eine andere Stelle, und dann keine fand. Tom beschloss, mit Dick erst nach seinem nächsten Gespräch zu reden.
    Walkers Vorzimmer war beeindruckend. Als Tom es betrat, wusste er, dass er für eine Stelle ernsthaft in Betracht gezogen wurde, vielleicht sogar für eine ziemlich gute. Walker hatte zwei Sekretärinnen, die eine offenkundig wegen ihres Aussehens, die andere der Nützlichkeit wegen ausgesucht. Auf dem Fußboden lag ein hellgelber Teppich, und für Besucher gab es einen gelben Ledersessel. Walker selbst saß abgeschottet in dem eigentlichen Büro, das vom übrigen Zimmer durch eine Trennwand aus opaken Glasbausteinen abgetrennt war.
    Die nützliche Sekretärin bat Tom zu warten. Es war äußerst still. Keine der beiden Frauen tippte, und obwohl beide je zwei Telefone und eine Sprechanlage auf dem Schreibtisch stehen hatten, klingelte oder summte nichts. Beide Sekretärinnen saßen da und lasen getippte Papierbögen in schwarzen Ordnern. Nachdem Tom ungefähr eine halbe Stunde gewartet hatte, blickte die hübsche Sekretärin ohne jeden hör- oder sichtbaren Anlass plötzlich auf und sagte heiter: »Mr Walker empfängt Sie jetzt. Öffnen Sie einfach die Tür und gehen Sie hinein.«
    Tom öffnete die Tür und sah einen dicken, blassen Mann auf einem gepolsterten Stuhl mit hoher Lehne hinter einem nierenförmigen Schreibtisch sitzen, auf dem außer einem Tintenlöscher und einem Füller nichts lag. Er war in Hemdsärmeln, und er wog ungefähr hundertzehn Kilo. Sein Gesicht war weiß wie ein Marshmallow. Er stand nicht auf, als Tom eintrat, aber er lächelte. Es war ein verblüffend warmes, spontanes Lächeln, als hätte er unerwartet einen alten Freund erkannt. »Thomas Rath?«, sagte er. »Setzen Sie sich! Machen Sie es sich bequem! Nehmen Sie die Jacke ab!«
    Tom dankte ihm und zog, obwohl es nicht eben sehr warm war, die Jacke aus. Es gab nichts, wo er sie hätte hintun können, also legte er sie sich, während er sich auf den bequemen Stuhl vor Walkers Schreibtisch setzte, umständlich über den Schoß.
    »Ich habe das Bewerbungsformular gelesen, das Sie ausgefüllt haben, und mir scheint, als könnten Sie für eine neue Stelle, die wir eventuell hier schaffen, qualifiziert sein«, sagte Walker. »Ich würde Ihnen nur noch gern ein paar Fragen stellen.« Er lächelte noch immer. Plötzlich drückte er auf eine Taste auf der Armlehne, worauf die Rückenlehne nach hinten sank, was ihm gestattete, sich wie auf einem Flugzeugsitz zurückzulehnen. Nun sah Tom nur noch sein Gesicht über die Schreibtischplatte hinweg.
    »Sie müssen entschuldigen«, sagte Walker, noch immer lächelnd. »Mein Arzt hat gesagt, ich bräuchte viel Ruhe, also mache ich das eben so.«
    Tom fiel nichts Passenderes ein als »Es sieht bequem aus …« zu sagen.
    »Warum wollen Sie bei der United Broadcasting Corporation arbeiten?«, fragte Walker abrupt.
    »Es ist ein gutes Unternehmen …«, begann Tom zögernd und war plötzlich ungeduldig, weil er gezwungen war zu heucheln. Der einzige Grund, dass er bei der United Broadcasting arbeiten wollte, war der, dass er glaubte, dort schnell eine Menge Geld zu machen, aber er fand, das konnte er nicht sagen. Manchmal galt es bei den Angestellten von Stiftungen als modern zu sagen, es gehe ihnen dabei nur ums Geld, aber bei Werbeagenturen und Rundfunkunternehmen wurde erwartet, dass die Leute aus rein geistigen Gründen dort arbeiteten.
    »Ich glaube«, sagte Tom, »dass das Fernsehen sich zum größten Medium für die Bildung und Unterhaltung der Massen entwickelt. Es hat mich schon immer fasziniert, und ich möchte gern dabei mitarbeiten …«
    »Wie sind Ihre Gehaltsvorstellungen?«, fragte Walker. Diese Frage hatte Tom nicht so schnell erwartet. Walker lächelte noch immer.
    »Das Gehalt ist bei mir nicht die primäre Erwägung«, sagte Tom in dem verzweifelten Versuch, auf Standardfragen Standardantworten zu geben. »Mich interessiert in erster Linie, etwas Nützliches und Lohnendes zu finden. Allerdings habe ich auch persönliche Verpflichtungen, und ich hoffe, dass sich etwas ergibt, was es mir ermöglicht, ihnen gerecht zu werden

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