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Der Mann im Karton

Der Mann im Karton

Titel: Der Mann im Karton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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Interessen einer
Klientin wahr, Earl«, erwiderte ich gelassen. »Genauer gesagt: Wenn Sie ihr zu
nahe treten, breche ich Ihnen auch das Kreuz — zur Gesellschaft für das
Nasenbein.«
    Seine Miene verdüsterte sich,
er öffnete den Mund und schien etwas sagen zu wollen, aber dann änderte er
seinen Entschluß und eilte von dannen. Als ich in der Garderobe anlangte, war
es schon wieder Zeit für Margot, sich auf die Bühne zu begeben. Ich gab ihr bis
zur Inspizientenklause das Geleit.
    Die zweite Hälfte der Oper war
noch besser als die erste. Donna Alberta absolvierte ihren Tanz der sieben
Schleier so begeisternd, daß den Leuten die Luft wegblieb. Im ganzen Theater
herrschte absolute Stille, und mit jedem fallenden Schleier wuchs die Spannung.
    Der letzte schwebte nieder —
und da stand sie nun in einem winzigen fleischfarbenen Büstenhalter und einem
ebensolchen Gürtelchen , das schon für die Besucher in
der ersten Reihe nahezu unsichtbar sein mußte. Sie neigte das Haupt langsam vor
Herodes, und ihre majestätischen Kurven erstarrten zu einer Geste demütiger
Bitte. Eingehüllt von strahlend weißem Licht, wurde ihr Körper zu einem
marmornen Denkmal, dem irgendein antiker Gott Leben verliehen hatte.
    »Mann!« sagte Alex heiser, während
er auf fünf Knöpfe seiner Schalttafel drückte. »Woanders könnte sie Millionen
damit verdienen!«
    Man spürte, daß das Publikum
fünf Minuten brauchte, bis es wieder aufnahmefähig für die weitere Handlung
war, und mir ging es genauso. Inzwischen hatte Salome erfolgreich das Haupt des
Johannes gefordert, und Herodes begann die ersten Gewissensbisse zu spüren. Die
Beleuchtung wurde nach und nach gedämpft, während der Henker durch eine Falltür
inmitten der Bühne verschwand. Sie stellte die Zisterne dar, in der Johannes gefangengehalten wurde.
    Und dann, als Salome
triumphierend befahl, man solle ihr das Haupt des Täufers bringen, verdunkelte
sich die Bühne gänzlich. Fünf Sekunden danach fiel ein blauer Lichtstrahl aus
einem einzigen Scheinwerfer auf die neben der Zisterne kniende Salome. Man
spürte den Schauer, der durchs Publikum lief, als der schwarze Arm des Henkers
langsam aus dem Loch wuchs, mit dem silbernen Schild als Tablett für Johannes’
Kopf.
    Ich entsann mich, daß Rex Tybolt mir erzählt hatte, das Tonmodell habe verblüffende
Ähnlichkeit. Es stimmte. Salome ergriff es gierig, während Herodes das Antlitz
im Gewand verbarg... Und dann ließ sie es plötzlich fallen.
    » Eije !«
murmelte Alex verzweifelt. »Ich hab’s ja kommen sehen — etwas muß bei der
Premiere schiefgehen, aber warum ausgerechnet jetzt?«
    Donna Alberta stand so reglos
da, als sei sie an die Bühnenbretter genagelt — und nach einem endlos
scheinenden Augenblick fiel sie zu Boden.
    »Mein Gott!« entfuhr es Alex.
Wild drückte er auf zahllose Knöpfe. »Was hab’ ich denn nur getan, daß mir so
etwas passieren muß?«
    Während lähmender zehn Sekunden
tat sich auf der Bühne überhaupt nichts. Dann endlich reagierte Luis Navarre auf Alex’ verzweifelte Winke, und die Handlung ging
zum nahen Höhepunkt weiter: Soldaten stürmten herbei und begruben Salome unter
ihren Schilden.
    Der Vorhang senkte sich vor
donnerndem Applaus — und blieb unten. Ich folgte Alex, der auf die Bühne
stürzte, wo sich eine Menschentraube um Donnas scheinbar leblosen Körper
gebildet hatte. Margot kniete neben ihr, als ich mich durchgezwängt hatte. Sie
sah mit einem beruhigenden Lächeln zu mir auf.
    »Ihr ist nichts passiert«,
sagte Margot erleichtert. »Sie ist nur ohnmächtig geworden, sonst nichts.«
    »Glauben Sie, die Primadonna
ist am Ende krank?« fragte Navarre besorgt.
    »Es sind nur die Nerven meines
Erachtens so...« Die Stimme versagte ihr, sie schwieg und starrte auf den Kopf
nieder, der neben Donna Alberta auf den Bühnenbrettern lag.
    Margots Gesicht wurde grau, und
ihre Augen traten glasig hervor.
    »Was ist denn los?« drängte
Alex. »Stimmt was nicht?«
    Sie hob einen zitternden Arm
und deutete hin: Der Kopf des Johannes war von einer feuchtglänzenden Pfütze
umgeben.
    » Blut? « krächzte Alex
ungläubig.
     
     
     

10
     
    Leutnant Chase sah auf seine
Uhr und brummte mißgelaunt , dann betrachtete er mich,
und seine Antipathie stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    »Ein Uhr!« schimpfte er. »Da
können wir ja gleich die ganze Nacht hierbleiben. Und nun erzählen Sie noch mal
von vorn, Boyd.«
    »Ich kam auf Einladung her«,
wiederholte ich geduldig. »Margot Lynn

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