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Der Mann im Karton

Der Mann im Karton

Titel: Der Mann im Karton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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plötzlich eine Tür. Ich erhaschte einen flüchtigen Blick auf die
silberblonde Primadonna, die von Garderobieren und Schminkfritzen umgeben war,
und einen zweiten auf Helen Mills’ bleiches Antlitz und die blaugerahmten
Gläser, durch die sie liebevoll zuschaute. Dann ertönte in Brusthöhe ein leicht
vertrocknetes Stimmchen: »Guten Abend, Mr. Boyd.«
    Ich blickte hinab auf den
kleinen Mann, der gerade Donna Albertas Garderobe verlassen hatte. Kasplin steckte ebenfalls im Smoking und darunter im
Spitzenhemd, und der Ebenholzstock mit dem silbernen Griff hing ihm zwischen
Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand.
    »Es überrascht mich, Sie so
einsam zu sehen«, meinte ich. »Oder mußte Maxine zu Hause bleiben, weil sie zu
müde ist?«
    Er lächelte dünn. »Sie haben
eine so überaus elegante Art, Boyd. Wie ein Warzenschwein, das im Ballett
tanzt.«
    »Ich möchte immer noch mit
Ihnen sprechen, und es ist immer noch dringend«, sagte ich.
    »Ich fürchte, Sie werden noch
warten müssen«, sagte er kurz angebunden. »In weniger als einer Stunde hebt
sich der Vorhang, und ich habe tausend Dinge zu tun. Die Leute hier besitzen
keinerlei Erfahrung mit Opern — oder einer Primadonna.«
    »Wie wär’s, wenn wir einen
Termin verabredeten?« sagte ich deprimiert. »Sie sagen, wann, und ich bin da.«
    »Gut.« Er nickte flüchtig. »Ich
rufe Sie morgen früh an.«
    Ich klopfte an die zweite Tür
rechts, und Margot rief: »Herein!« Sie saß vor dem Spiegel, legte letzte Hand
an ihr Make-up, und im ersten Augenblick erkannte ich sie kaum. Sie trug ein
langes Gewand aus schwerem russischen Samt, mit einem enganliegenden,
tiefausgeschnittenen Mieder. Ihr dunkles Haar war blau gesprüht, und Körnchen
glitzerten metallisch im Licht. Eine dicke Schminkschicht machte sie zwanzig
Jahre älter.
    Sie wandte den Kopf und
lächelte mich an. »Schließ die Tür, Danny, und schrei bitte nicht. Du weißt ja,
ich spiele Donnas Mutter.«
    »Das kaufe ich dir gern ab«,
sagte ich und schloß gehorsam die Tür.
    »Setz dich.« Sie wies auf einen hochlehnigen Stuhl.
    Ich nahm Platz und steckte mir
eine Zigarette an. »Hast du auch schön ausgeschlafen?«
    »Es hat noch gereicht«, sagte
sie und lächelte sich selbst im Spiegel an. »Danny, ich habe über das
nachgedacht, was du gestern abend gesagt hast.«
    »So?«
    »Ich bin nun mal mit einem
Gewissen belastet«, erklärte sie sachlich. »Wenn Harvey Paul Kendall ermordet
hat, dann steht es mir wohl nicht zu, mich und meine Karriere dem Lauf der
Gerechtigkeit in den Weg zu stellen. Wenn eine schriftliche Bestätigung
vonnöten ist, daß er mich erpreßt hat, Danny, wenn ihn das überführt — dann tu
ich’s.«
    »Das zeugt von feiner Art und
rechtem Bürgersinn, Liebling«, sagte ich vorsichtig. »Bist du sicher, daß sonst
nichts passiert ist, was dich deine Meinung ändern ließ?«
    »Eine persönliche Unterredung,
als ich ins Theater kam. Mit dem großen Impresario, unter vier Augen.« Sie
lächelte spärlich. »Sie hat meine Meinung nicht geändert, sondern sie nur
bestärkt.«
    »Was hat er denn gesagt?«
    »Die alte Geschichte in allen
Einzelheiten: daß meine ganze Karriere im Eimer sei, wenn sein Material
veröffentlicht würde«, sagte Margot tonlos. »Aber dann fügte er noch eine
Neuigkeit hinzu: Ich solle mich nicht mehr mit dir treffen, sogar nicht mehr
mit dir telefonieren, wenn ich bei guter Gesundheit bleiben wolle. Er ist
beinahe übergekocht, Danny.« Sie erschauerte plötzlich. »Und dauernd redete er
von seiner Schwester und wie geschickt sie mit Messern umgehen könne.«
    »Aber trotzdem bist du
entschlossen, eine Aussage zu unterschreiben?« fragte ich.
    »Unter einer Bedingung.« Sie
wandte sich vom Spiegel ab und sah mich unverwandt an. »Ich möchte beschützt
werden, Danny. Ich bin keine Heldin. Er hat mir richtig angst gemacht, und ich glaube, daß er jedes Wort ernst meinte. Ich möchte, daß du ab
sofort nicht mehr von meiner Seite weichst.«
    »Das wird mir ein Vergnügen
sein«, versicherte ich. »Sobald er sich dir auf Hörweite nähert, schlage ich
ihm gleich wieder die Nase ein.«
    Ihre Augen weiteten sich. »Das
hast du getan? Ich habe mich schon gewundert, was ihm zugestoßen ist.«
    »Es gibt nur ein Problem«,
sagte ich. »Ich kann nicht hinter dir auf die Bühne marschieren, es sei denn,
als Schleppenträger oder so etwas...«
    »Du kannst mich von der Box des
Inspizienten aus sehen«, sagte sie leichthin. »Ich habe schon mit ihm
gesprochen,

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