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Der Mann im Karton

Der Mann im Karton

Titel: Der Mann im Karton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
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er ist ein netter Kerl und schuldet mir einen Gefallen.«
    »Prima«, sagte ich. »Wenn du
ohnehin diese Aussage machen willst, darf ich dann schon mal die naheliegendste Frage stellen? Meine Neugier bringt mich
nämlich beinahe um.«
    »Womit Harvey mich erpreßt
hat?«
    »Genau.«
    Margot blickte wieder in den
Spiegel und spielte mit einem Augenbrauenstift. »Ich bin vorbestraft, Danny.
Jugendstrafe. Ich war mit siebzehn in einer Strafanstalt, fünfzehn Monate lang
— natürlich unter meinem richtigen Namen.« Ihre Lippen verzogen sich
unwillkürlich zu einem Lächeln. »Als Janie Rigowski .
Toll, was?«
    »Und das ist alles?«
    »Es genügt. Bei einer
Schaumbadtänzerin wäre es vielleicht nicht so wichtig, aber bei einer
Mezzosopranistin ist das anders.«
    »Wie ist Harvey denn
dahintergekommen?«
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte
sie achselzuckend. »Ich glaube, er macht sich ein Gewerbchen draus, in der Vergangenheit anderer Leute herumzuschnüffeln. Wie sonst wäre es
möglich, daß ständig so viele Leute mit großen Namen für ihn arbeiten?«
    »Ja«, stimmte ich zu; denn ich
erinnerte mich, daß Marge Benny einen »Nachforscher« genannt hatte, als ich zum erstenmal in Harveys Büro gewesen war.
    »Für alle Fälle, habe ich mir
gedacht«, fuhr Margot fort, »könntest du mich nach der Vorstellung mit zu dir
nehmen, dann machen wir die Sache schriftlich.«
    »Ausgezeichnet«, strahlte ich.
»Und dann kann ich dir auch gleich beweisen, wie gut ich einer Klientin nicht
von der Seite weichen kann.«
    In ihren Augen blitzte es schalkhaft
auf. »Bitte, Mr. Boyd«, sprach sie züchtig, »vergessen Sie nicht, daß ich Ihre
Frau Mutter sein könnte!«
     
    Der Inspizient hieß Alex, und
er widmete mir volle zwanzig Sekunden seiner Zeit. Aber es genügte, mir »Hallo«
zu sagen, mich in eine Ecke seiner Klause zu stellen und mir einzutrichtern,
ich solle ihm um Himmels willen nicht im Weg herumlaufen. Seine Schalttafel
wirkte komplizierter als die Armaturen einer Düsenmaschine, deshalb brachte ich
ihm Verständnis entgegen — zumal ich aus seinem verglasten Kasten eine
prächtige Aussicht auf die Bühne genoß.
    Vor langer Zeit hatte ich mal
Oscar Wildes »Salome« gelesen, weil ein Spaßvogel mir eingeredet hatte, sie sei
die Biographie der ersten Stripteasetänzerin. So hatte ich den Vorteil, der
Opernhandlung ohne große Schwierigkeiten folgen zu können. Sie entsprach
weitgehend dem Originalstück, und so brauchte ich mich zum Glück nicht um das
Verständnis dessen zu mühen, was da gesungen wurde.
    Alle Stimmen waren gut,
vielleicht sogar überragend, und die sinnliche, aufreizende Musik machte die
ganze Atmosphäre immer spannender.
    Donna Alberta gab eine
großartige Salome, hinter jeder Geste spürte man Feuer und Sex, ihre Haß-Liebe
gegenüber Johannes. Rex Tybolt war als weißbärtiger,
starrblickender Prophet nicht wiederzuerkennen; Luis Navarre ,
wie Margot künstlich um zwanzig Jahre gealtert, war ein würdiger Herodes.
    Obwohl die Oper nur aus einem
Akt besteht, wurde eine Pause eingelegt. Vielleicht sollte das Publikum dadurch
eher zur Ansicht gelangen, ihm werde für sein Geld genug geboten — vielleicht
diente sie auch reiner Erholung. Als die Lichter verlöschten, seufzte Alex
jedenfalls dankbar: »Die schlimmste Hälfte hätten wir hinter uns —
hoffentlich.« Er grinste mich an. »Wie hat’s Ihnen denn gefallen?«
    »Großartig.« Ich meinte es
ernst.
    » Strauss hätte sich so etwas nie leisten können, wenn’s keine Oper gewesen wäre«, sagte
er und grinste weiter. »In der Met wurde sie um 1907 erstaufgeführt, glaube
ich. Es gab nur zwei Vorstellungen — aber einen Skandal und viel Geschrei um
die öffentliche Moral und so. >Parfümierte Dekadenz< schrieb ein
Kritiker. Nicht schlecht, wie?«
    »Ich sage Ihnen meine Meinung
nach dem Tanz«, antwortete ich.
    Ich ging in Margots Garderobe
zurück, und unterwegs traf ich Rex Tybolt . Er schien
nicht eben erfreut, mir zu begegnen.
    »Wie läuft’s denn, Rex?« fragte
ich höflich.
    »Ganz gut, glaube ich«,
murmelte er. »Hören Sie, Boyd — wegen gestern abend ,
ich...« Er schwieg plötzlich und starrte auf etwas hinter meinem Rücken, dann
ging er rasch weiter.
    Ich wandte mich um und sah Earl
Harvey dort stehen, mit berechnendem Blick. Das weiße Pflaster auf der Nase
machte die schmutzige Farbe seiner Augen noch auffallender.
    »Was, zum Teufel, haben Sie
hinter der Bühne zu suchen, Boyd?« zürnte er.
    »Ich nehme die

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