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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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sich.
    Muller warf ihm einen finsteren Blick zu. „Du weißt wirklich nicht, warum ich hier bin?“
    „Ich fürchte nein.“
    „Wahrscheinlich weißt du das tatsächlich nicht. Du warst damals noch zu jung. Aber die anderen, … sobald sie mein Gesicht erkannten, hätten sie es eigentlich wissen müssen. Warum haben Sie dir nichts gesagt? Euer Roboter hat mein Gesicht übertragen, nicht wahr? Ihr wußtet, wer hier ist. Und sie haben dir kein einziges Wort gesagt?“
    „Ich verstehe leider immer noch nicht …“
    „Komm näher!“ rief Muller barsch.
    Rawlins spürte, wie er näherglitt, obwohl ihm die einzelnen Schritte nicht bewußt wurden. Plötzlich stand er Muller von Angesicht zu Angesicht gegenüber, wurde sich der massigen Gestalt des Mannes vollauf bewußt, seiner tiefgefurchten Stirn, seiner furchterregenden Augen mit dem starren Blick. Mullers riesige Hand umfaßte wie ein Schraubstock Neds Handgelenk. Rawlins schwankte. Der plötzliche Ansturm paralysierte ihn. Verzweiflung überwältigte ihn; so groß, daß sie ganze Universen verschlingen konnte. Er bemühte sich, nicht allzu sehr den weichen Knien nachzugeben.
    „Jetzt geh wieder weg von mir!“ rief Muller heiser. „Hau ab! Raus hier! Raus!“
    Rawlins rührte sich nicht.
    Muller stieß einen Fluch aus und rannte schweren Schritts in ein Gebäude mit niedrigen Glaswänden, deren dunkle Fenster wie blinde Augen wirkten. Die Tür verschloß sich hinter ihm. Lückenlos, ohne erkennbare Naht. Rawlins atmete tief durch und bemühte sich, sein Gleichgewicht zu bewahren. Hinter seiner Stirn hämmerte es, als versuche dort etwas, mit aller Gewalt nach draußen zu gelangen.
    „Bleiben Sie, wo Sie sind“, sagte Boardman. „Lassen Sie ihn erst seine verzweifelte Wut überwinden. Bis jetzt läuft alles bestens.“
     
     
3
     
    Muller kauerte hinter der Tür. Der Schweiß rann ihm die Seiten herab. Ein Frösteln durchfuhr ihn. Er schlang die Arme so fest um sich, daß die Rippen zu schmerzen begannen.
    So hatte er mit einem Eindringling ganz sicher nicht verfahren wollen.
    Eine kurze Vorstellung vielleicht; dann der bestimmte Hinweis, daß sein Wunsch nach Zurückgezogenheit respektiert werden sollte; wollte der Störenfried danach immer noch nicht verschwinden, würde er eben mit der Kugelwaffe nachhelfen. So hatte Muller es sich vorgenommen. Aber bei dem jungen Rawlins hatte er gezögert. Er hatte sich zu lange mit ihm unterhalten, hatte zuviel erfahren. Der Sohn von Stephen Rawlins also? Hierhergeflogen mit einer Archäologengruppe? Der Junge schien von seiner Ausstrahlung kaum betroffen worden zu sein, außer wenn er sehr nahe an ihn herankam. Hatte sein Leiden im Lauf der Jahre etwas nachgelassen?
    Muller kämpfte darum, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Warum war er so abweisend? Warum so ängstlich? Warum klammerte er sich so verzweifelt an seine Einsamkeit? Er hatte von den Erdmenschen nichts zu befürchten. Sie litten bei jedem Kontakt mit ihm, und nicht er. Verständlich, daß sie vor seiner Anwesenheit zurückschreckten. Deshalb gab es für ihn auch keinen Grund, sich so zurückzuziehen – außer auf Grund eines lähmenden Mangels an Selbstbewußtsein, der erstarrten Unbeweglichkeit, die nach neun Jahren Isolation nicht verwundern konnte. War es wirklich so weit mit ihm gekommen liebte er die Einsamkeit um ihrer selbst willen? War er ein Einsiedler? Anfangs hatte er sich eingeredet, er sei nur hierher gekommen, weil er an das Wohl seiner Mitmenschen gedacht habe. Daß er seine schmerzende, seelische Häßlichkeit nicht auf sie ausströmen lassen wollte. Doch dann war der Junge gekommen, war freundlich und hilfsbereit gewesen. Warum sollte er vor ihm fliehen? Warum sollte er so dumm und grob reagieren?
    Langsam erhob Muller sich wieder und öffnete die Tür. Er trat nach draußen. So rasch, wie das beim hiesigen Winter üblich war, war die Nacht hereingebrochen. Der Himmel war schwarz, und die Monde zogen flink über ihn hinweg. Der Junge stand immer noch auf dem Platz. Er wirkte etwas unschlüssig. Clotho, der größte Mond, badete ihn in seinem goldenen Licht, so daß sein lockiges Haar von innen her zu funkeln schien. Neds Gesicht war sehr blaß und wurde jetzt noch stärker von den stark hervorstehenden Wangenknochen betont. Aus seinen blauen Augen leuchtete Verblüffung, wie von jemandem, der gerade eine Ohrfeige bekommen hatte.
    Muller ging vorsichtig auf ihn zu. Er wußte noch nicht recht, welche Taktik er einschlagen sollte. Er

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