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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Überzeugung gewesen, seine wirkliche Karriere stünde ihm noch bevor, daß bisher alles nur Ouvertüre gewesen sei. Er hatte auch hier auf Lemnos das Gefühl, daß seine Zukunft ihm noch bevorstand, aber mittlerweile mußte er sich eingestehen, daß er auf der Schwelle stand. Das hier war kein Routinefall mehr. Hier stand er nun, groß, blond, jung und stur und entschlossen zu seiner großen Tat, die – und Boardman hatte in diesem Punkt ganz und gar nicht übertrieben – durchaus dazu angelegt war, den Verlauf der zukünftigen Geschichte zu beeinflussen.
    Ping.
    Ned sah sich um. Die Sensoren hatten wieder angesprochen. Aus dem vor ihm liegenden Schatten löste sich die Gestalt eines Menschen. Richard Muller.
    Sie starrten sich über eine Distanz von zwanzig Metern an. Rawlins hatte sich Muller als Riesen vorgestellt. Überrascht stellte er nun fest, daß sie beide von gleicher Größe waren, beide gut zwei Meter groß. Muller trug ein dunkles, speckiges Hemd. Das Sonnenlicht zu dieser Stunde zeigte Mullers Gesicht als Konglomerat von widerstrebenden Falten und hervorstehenden Kanten.
    In Mullers Hand befand sich das apfelgroße Gerät, mit dem er die Drohne vernichtet hatte.
    Boardmans Stimme ertönte summend in Neds Ohr: „Gehen Sie näher heran. Lächeln Sie. Geben Sie sich schüchtern, unsicher und freundlich. Und zeigen Sie, daß es Ihnen ernst ist. Vor allem aber müssen Sie die Hände so halten, daß er sie ständig sehen kann, und zwar die ganze Zeit.“
    Rawlins gehorchte. Er fragte sich, wann er wohl die negativen Schwingungen empfangen würde, die Muller aussandte. Er konnte kaum den Blick von der glänzenden Kugel wenden, die wie eine Handgranate in Mullers Hand lag. Als er nur noch zehn Meter von ihm entfernt war, begann er Mullers Ausstrahlung zu verspüren. Ja, das mußte sie sein. Er sagte sich, daß er sie ertragen konnte, wenn es bei dieser Entfernung blieb.
    Muller sagte: „Was wollen Sie …“
    Die Worte hörten sich an wie ein heiserer, krächzender Schrei.
    Muller hielt inne, und seine Wangen liefen rot an, während er versuchte, seinen Kehlkopf wieder unter Kontrolle zu bekommen. Rawlins nagte an seiner Unterlippe. Er spürte ein unkontrollierbares Zucken in seinem rechten Augenlid. Heftiges Atmen von Charles Boardman ertönte in seinem Ohrempfänger.
    Muller versuchte es noch einmal. „Was wollen Sie von mir?“ Diesmal klang seine Stimme wie immer. Sie war tief, und kaum unterdrückte Wut schwang in ihr mit.
    „Ich wollte nur mit Ihnen reden, wirklich. Aber ich wollte Ihnen keine Unannehmlichkeiten machen, Mr. Muller.“
    „Sie kennen mich!“
    „Aber natürlich. Jeder kennt Richard Muller. Ich will sagen, Sie waren schon der galaktische Held, als ich noch zur Schule gegangen bin. Wir haben Aufsätze über Sie geschrieben, Klassenarbeiten. Wir …“
    „Hauen Sie ab! Raus hier!“ Wieder kippte seine Stimme über.
    „… und Stephen Rawlins war mein Vater. Ich kenne Sie, Mr. Muller.“
    Das apfelförmige Gerät richtete sich auf ihn. Das kleine viereckige Fenster in ihm zeigte direkt auf Neds Gesicht. Rawlins erinnerte sich daran, wie urplötzlich die Übertragung der Drohne geendet hatte.
    „Stephen Rawlins?“ Die Waffe sank wieder.
    „Mein Vater.“ Rawlins’ linkes Knie schien zu Pudding geworden zu sein. Verdampfter Schweiß schwebte wie eine Wolke um seine Schultern. Er empfing Mullers Strahlung jetzt intensiver, so als brauche sie einige Minuten, um sich auf seine Wellenlänge einzustellen. Ned spürte jetzt Wirbel von Pein, von Traurigkeit und ein Gefühl wie von gähnenden Abgründen, die friedliche Wiesen zerrissen. „Ich habe Sie vor langer Zeit kennengelernt“, sagte Rawlins. „Sie kehrten gerade von einer Reise nach – Moment, bitte, was war es denn noch gleich, ja, Eridani 82, glaube ich – zurück und waren tiefgebräunt und windgegerbt. Ich glaube, ich war damals acht Jahre alt. Sie haben mich hochgehoben und mich in die Luft geworfen. Sie waren nicht mehr an die irdische Schwerkraft gewohnt und haben mich zu heftig hochgeworfen. Ich stieß gegen die Decke und begann zu weinen. Und Sie haben mir etwas geschenkt, damit ich mit dem Weinen aufhörte eine kleine Perle, die ständig ihre Farbe änderte …“
    Mullers Hände hingen schlaff an den Seiten. Die Waffe war irgendwo in einer Hemdfalte verschwunden.
    Zwischen zusammengepreßten Lippen sagte er: „Wie war doch gleich dein Name? Fred, Ted, Ed … ja, sicher, Ed. Edward Rawlins.“
    „Später hat man

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