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Der Mann im Labyrinth

Der Mann im Labyrinth

Titel: Der Mann im Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Entlassung“, erklärte Rawlins.
     
     
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    Boardman hatte etwas Ähnliches erwartet. Eine noble Geste. Eine Aufwallung hartnäckigen Trotzes. Einen Proteststurm der Tugend im Verstand. Boardman legte die vorgetäuschte Interesselosigkeit ab, blickte auf und sah Rawlins fest in die Augen. Ja, Stärke war in ihnen zu lesen. Und Entschlossenheit. Aber keine Verschlagenheit – noch nicht.
    Ruhig sagte Boardman: „So, Sie wollen also kündigen? Nach all dem, was Sie über den Dienst an der Menschheit erklärt haben? Wir brauchen Sie, Ned. Sie sind unersetzbar, weil Sie unser einziges Verbindungsglied zu Muller sind.“
    „Mein Dienst an der Menschheit schließt auch den Dienst an Richard Muller ein“, erklärte Rawlins steif. „Er ist nämlich Bestandteil der Menschheit, ob er das nun will oder nicht. Und ich habe bereits ein schwerwiegendes Verbrechen an ihm begangen. Solange Sie mir nicht auch den Rest Ihres Plans offen darlegen, will ich verdammt sein, wenn ich noch länger dabei mitspiele.“
    „Ich bewundere Ihre Charakterfestigkeit.“
    „Meine Kündigung liegt immer noch auf dem Tisch.“
    „Ich kann mich sogar mit Ihrem Standpunkt solidarisieren“, erklärte Boardman. „Ich bin keineswegs stolz auf das, was wir hier tun … tun müssen. Aber ich sehe unsere Arbeit als historische Notwendigkeit an – als Notwendigkeit, durch einen gelegentlichen Betrug das höhere Ziel zu erreichen. Auch ich habe ein Gewissen, Ned, ein Gewissen, das achtzig Jahre alt ist und sehr gereift. So etwas verkümmert im Alter nicht. Wir lernen einfach, mit den ewigen Vorwürfen zu leben, das ist das ganze Geheimnis.“
    „Wie wollen Sie Muller zu einer Zusammenarbeit bewegen? Drogen? Folter? Gehirnwäsche?“
    „Nichts dergleichen.“
    „Was dann? Mir ist es verdammt ernst, Charles. Meine Rolle in diesem Drama endet in dieser Sekunde, wenn ich nicht erfahre, was anliegt.“
    Boardman hustete, trank hastig einen Schluck Wein, aß einen Pfirsich und nahm rasch hintereinander drei Pillen ein. Neds Rebellion war unvermeidlich gewesen, und Charles war darauf vorbereitet gewesen, aber jetzt war er doch ärgerlich darüber, daß es so weit gekommen war. Jetzt war es an der Zeit, ein kalkuliertes Risiko einzugehen. „Ich verstehe“, sagte Boardman, „daß wir jetzt offen miteinander reden müssen, Ned. Ich werde Ihnen also sagen, was Dick Muller erwarten wird. Aber sehen Sie meine Worte bitte im Zusammenhang mit dem großen Ganzen, legen Sie deshalb kein Wort auf die Goldwaage. Und vergessen Sie bitte nicht, daß unser kleines Spielchen auf diesem Planeten nicht einfach eine Frage privater Moralanschauungen ist. Auch auf die Gefahr hin, jetzt bombastisch zu klingen, möchte ich Sie an eines erinnern, es geht hier um das Schicksal der Menschheit.“
    „Ich höre, Charles.“
    „Nun gut. Dick Muller muß zu unseren extragalaktischen Freunden fliegen und sie von der Intelligenz der menschlichen Spezies überzeugen. Stimmen Sie mir da zu? Er allein ist in der Lage, so etwas zu tun; wegen seiner einzigartigen Unfähigkeit, seine Gedanken für sich zu behalten.“
    „Einverstanden.“
    „Nun ist es nicht unbedingt erforderlich, die Aliens davon zu überzeugen, daß wir gute, ehrenwerte oder gar liebenswerte Wesen sind. Sie sollen bloß wissen, daß wir einen Verstand besitzen, denken können, fühlen, mit Sinnen wahrnehmen und eben mehr sind als intelligente Maschinen. Für diesen Zweck ist es überhaupt nicht wichtig, welche Gefühle Muller ausstrahlt. Hauptsache, er strahlt etwas aus.“
    „Ich beginne zu verstehen.“
    „Deshalb können wir ihm, sobald er aus dem Labyrinth heraus ist, erklären, ganz offen sagen, was wir von ihm wollen. Zweifellos wird er sich über unsere vorangegangene Unaufrichtigkeit ärgern. Aber trotz seines Ärgers wird er erkennen können, was die Pflicht von ihm verlangt. Ich hoffe es jedenfalls. Sie dagegen glauben, daß er es nicht einsieht. Aber das ist im Grunde egal, Ned. Wenn er seine Burg erst verlassen hat, wird er nämlich keine andere Wahl mehr haben. Er wird ganz einfach zu den Aliens gebracht und bei ihnen abgeliefert. Das klingt brutal, und das ist es auch zweifellos. Aber es ist auch zwingend notwendig.“
    „Seine Kooperationswilligkeit ist also völlig irrelevant“, sagte Rawlins langsam. „Er wird den Extragalaktikern einfach vorgeworfen. Wie ein Sack.“
    „Wie ein denkender Sack. Wie unsere Freunde dort sicher feststellen werden.“
    „Ich …“
    „Nein, Ned, sagen Sie

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