Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pontus Ljunghill
Vom Netzwerk:
Die Stadt wurde immer kleiner, und die Schären näherten sich.
    »Ich habe meine Malutensilien dabei«, sagte Karolina.
    »Das ist gut«, sagte Stierna.
    »Ich möchte dich malen. Wenn wir auf der Insel sind.«
    Er sah sie an. Sie trug den Mantel, den sie immer trug, wenn sie ausgingen, zu einer Veranstaltung oder ins Theater. Den hellbraunen mit dem breiten Kragen, den sie ein paar Tage vor Lindbergs Hochzeit gekauft hatte.
    Das Schiff fuhr an den großen, weiß gestrichenen Villen vorbei, den Schlössern der »Gulaschbarone«. Protzige Häuser, in die skrupellose Geschäftsleute einen Teil ihres Vermögens investiert hatten, das sie verdienten, indem sie Lebensmittel und anderes an das während des Krieges unter der Blockade leidende Deutschland zu Wucherpreisen verkauften, trotz Exportverbots. Männer, die fast alles machen würden, um Geld zu verdienen.
    Sie kamen an den prunkvollen Villen ein Stück hinter der Koviksudde vorbei. Die Sommerresidenzen der Reichen standen jetzt leer. Stierna wusste, dass Polizeipräsident Solman auch irgendwo dort seinen Urlaub verbrachte. Dort in der Idylle, so weit wie möglich von den dunklen Seiten der Stockholmer Innenstadt entfernt. Stierna hatte ihn nie hier draußen besucht, war aber schon häufiger vorbeigefahren. Trotz all der Jahre in der Abteilung für Gewaltverbrechen kannte er Solman eigentlich nicht, und er hatte ihn auch nie auf dem Schiff getroffen, wenn er selbst unterwegs zu einer der Inseln war.
    Der alte Kahn mit dem Außenbordmotor lag am Anleger bei dem Haltepunkt des Schärendampfers. Genau wie immer.
    Das Haus auf der Insel war einfach, einstöckig, rot gestrichen. Ein Stück weiter gab es einen Tischlerschuppen und einen Abort.
    Unterhalb der steilen Klippen lag ein Bootshafen mit einem kleinen Segelschiff und einer Jolle mit Motor.
    Abends gingen sie an den Klippen entlang. An dem Ufer, das der großen Bucht zugewandt war. Die Dämmerung hatte schon eingesetzt. Bald würde der Nachthimmel über ihnen sein, aber ihre Augen gewöhnten sich an die Dunkelheit.
    Stierna wusste nicht, wie oft er diesen Weg schon gegangen war. Er kannte jeden Stein, jeden Baum, jeden Busch. Es spielte keine Rolle, wenn die Dunkelheit sich wie ein schwarzer Vorhang über sie senkte, er würde seinen Pfad finden.
    »Es ist schön«, sagte er, »mit das Schönste, was ich je gesehen habe.«
    Er spürte die Ruhe, wie immer, wenn er auf der Insel an Land ging. Der Puls wurde ruhiger, die Stadt wurde unwichtig. Das würde erst wieder anders werden, wenn sie den Dampfer am Norra Blasieholmshamnen bestiegen. Das Licht von der großen Stadt. Die Autos. Das Menschentreiben. Der Lärm aus dem Vergnügungsviertel am Stureplanen. Das menschliche Elend an der Kärleksbörsen, der Liebesbörse. Es würde wohl eine Stunde dauern, bis er all das nicht mehr registrieren würde. Bis der Puls der Stadt wieder sein eigener geworden war.
    »Ich würde gern eine Weile hierbleiben«, sagte Karolina. »Ein paar Wochen. Einen Monat. Solange ich Lust habe.«
    »Ich auch. Aber ich muss zurück. Am Sonntag muss ich zurückfahren. Und du auch.«
    »Ja. Und es gibt nichts, was wir daran ändern können?«
    »Wahrscheinlich nicht.«
    »Ist es nicht merkwürdig, John? Das Leben.«
    »Das Leben?«
    »Ja. Wie viel wir davon steuern können, wie frei wir sind, und dabei doch so unfrei. Fast unser ganzes Leben handelt nur von der Arbeit. Das, was wirklich wichtig für uns ist, wird so nebenbei abgehandelt. Wenn wir es schaffen. Das, was wir lieben, die Dinge, die wir wirklich tun wollen, das erledigen wir so nebenbei. Und wenn wir alt geworden sind, sollen wir uns die Zeit nehmen, die wir nie gehabt haben. Aber dann sind wir zu alt und müde.«
    Er blieb stehen, schaute sie an.
    Sie ergriff seine Hand und drückte sie fest.
    »Ist es nicht das, wofür wir leben, John? Für Momente wie diesen?«
    »Doch, ja«, nickte er. »Für Momente wie diesen.«
    Karolina ließ seine Hand los, und sie gingen weiter.
    »Als ich dich das dritte Mal gesehen habe«, sagte sie, »in dem Laden, da hast du eine Krawatte gekauft. Ziemlich langweilig, wie ich fand. Die blaue. Aber ich erinnere mich, dass ich dachte, mit dem möchte ich gern auf einer Insel an der Küste entlangspazieren. Obwohl ich dich eigentlich noch gar nicht kannte. Aber es ist so selten, dass wir hierherkommen. Manchmal im Sommer, sonst so gut wie nie. Und das meine ich damit: Es gibt keine Zeit für das, was wir wirklich wollen. Denn nur so funktioniert diese

Weitere Kostenlose Bücher