Der Mann im Park: Roman (German Edition)
Rasenfläche gesessen. Die ganze Zeit hatte er den Kiosk im Blick gehabt.
Er hatte zugeschaut, wie die Frau hinter dem Tresen Kunden bediente. Es waren weniger, als er gedacht hatte. Ein paar kleine Kinder, die Sahnebonbons für eine halbe Öre kauften und Limonade. Eine Frau, die ein paar Zeitschriften kaufte. Drei Männer mittleren Alters, die sich jeweils mit Tageszeitungen versorgten. Eine ältere Frau mit Stock, die etwas fragte, aber nichts kaufte. Niemand, der in das Bild von Ingrid Bengtssons Mörder passte.
Stierna dachte an den Mann, von dem Lundby berichtet hatte. Aber eigentlich war er nicht hier, weil er glaubte, der Mann würde hier am Kiosk etwas kaufen. Stierna wollte einfach nur in den Vasapark, er konnte besser nachdenken, wenn er näher am Zentrum des Geschehens war. Er lief die Wege ab, die Ingrid an ihrem letzten Abend gegangen war.
Hier waren er und Karolina im letzten Winter auf der Schlittschuhbahn gelaufen. Sie war auf einer großen Rasenfläche angelegt worden, indem einfach Wasser aufgesprüht wurde, dort, wo die Athleten vor sechzehn Jahren, als er selbst noch zur Schule ging, für die Olympischen Spiele in der Stadt trainiert hatten. Er hatte immer an die Sonnenscheinolympiade gedacht, wenn er früher durch den Vasapark spaziert war. Auch wenn fast alle Wettkämpfe im Olympiastadion ausgetragen worden waren, aber hier hatten viele Athleten trainiert. Stierna erinnerte sich, dass sein Vater, der Straßenbahnfahrer, ihn an einem Sonntag, an dem er freigehabt hatte, mitgenommen hatte. Das war im Sommer 1912 gewesen. Hier hatte er dem Finnen Hannes Kolehmainen zugesehen, wie der sich warmlief, nur wenige Meter von ihm entfernt. Der Sportler, der den alten Weltrekord über 5000 Meter um fünfundzwanzig Sekunden unterboten hatte. Und der einen Sieg über 10000 Meter und den Geländelauf nach Hause geholt hatte.
Jetzt war Stierna hier auf der Jagd nach Ingrid Bengtssons Mörder. Er kam am Spegeldammen vorbei, dessen Wasser am Abend dunkel und undurchdringlich aussah. Ein paar Jungs warfen Steine in den Teich. Er fragte sich, woher sie die hatten, vergaß das aber gleich wieder und steuerte den Musikpavillon an. Er war geschlossen und verriegelt, ein sicheres Zeichen dafür, dass der Winter auf dem Weg war.
Stierna rekapitulierte noch einmal die Stunden, die im Dunkeln lagen. Von dem Moment an, als Ingrid ihr Zuhause in der Upplandsgatan verlassen hatte, bis zu dem Zeitpunkt, als sie von der Polizei auf der Djurgårdswerft gefunden wurde, waren mehr als acht Stunden vergangen. Was war in dieser Zeit passiert? Wo war sie gewesen?
Stierna kehrte um, ging den Hügel hinauf. Oben lagen die beiden Spielplätze des Parks. Die Sandkiste war leer. Ein Mann mit Hut und Mantel gab einem kleinen Mädchen auf der Schaukel Schwung. Hier war Ingrid oft gewesen, Maria Bengtsson hatte erzählt, wie gern Ingrid im Park geschaukelt hatte.
Der Kommissar setzte sich auf eine Bank neben dem Spielplatz, zündete sich eine Zigarette an und warf einen Blick auf seine Taschenuhr. Es war schon acht. Er hatte Karolina gesagt, dass er auch an diesem Abend erst spät kommen würde. Wie fast immer in den letzten Monaten, das war Routine geworden. Denn er hätte ja ebenso gut daheim in der Wohnung in der Parmmätargatan sein können, sie hätten zusammen packen können, wie es eigentlich verabredet gewesen war. Packen für die Insel, wo sie endlich einmal nur zu zweit sein würden, weit entfernt von allem, was sich ihnen im Alltag aufdrängte. Aber er konnte nicht loslassen, war nicht in der Lage dazu.
Wenn das hier vorbei ist, dann wird es anders, dachte er. Dann werde ich ein anderer sein.
Stierna schaute in den Himmel. Es waren keine Sterne zu sehen, das Licht der Stadt hatte sie ausgelöscht. Aber er sah den Mond, er war rund, keine Wolke bedeckte ihn.
Das Mädchen schrie. Stierna zuckte zusammen, ließ die Zigarette auf die Erde fallen, trat die Glut mit dem Schuh aus.
Er erhob sich von der Bank. Das kleine Mädchen war von der Schaukel gestiegen. Sie ging auf die Öffnung im Zaun zu, der das massive Schaukelgerüst aus Holz umgab.
Der Mann in Hut und Mantel packte sie.
»Jetzt kommst du mit«, sagte er. »Jetzt haben wir genug geschaukelt.«
Das Mädchen fing an zu weinen. Laut, hemmungslos. Sie lief zu der Öffnung im Zaun. Der Mann lief ihr hinterher, hielt sie fest.
»So, jetzt gehen wir«, sagte er.
Stierna stellte sich vor den Mann und das kleine Mädchen.
»Einen Augenblick. Wohin bringen Sie
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