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Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pontus Ljunghill
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sich unter die Passanten gemischt, ohne dass er jemandem aufgefallen wäre.
    Wenige Minuten später verließ Stierna das Zimmer. Er ging die Treppen hinunter, vorbei an der Rezeption. Den Zimmerschlüssel behielt er bei sich.
    Bald würde er den Journalisten wiedertreffen. Bis jetzt war er in seinen Gesprächen mit Grönwall offen und ehrlich gewesen, hatte nicht viel zurückgehalten, aber nicht erzählt, wie sie den Läufer verfolgt hatten, der mit hochgezogenen Knien in Stadshagen trainiert hatte. Den Mörder. Einst, vor fast fünfundzwanzig Jahren, hatte er Berner versprochen, der Presse nichts darüber zu sagen. Berner war tot, aber Stiernas Loyalität gab es noch. Er würde sein Versprechen nicht brechen.
    Als er auf die Straße trat, schlug ihm der Herbst entgegen, obwohl es gerade erst September war. Diese frische, kühle Luft. Dieses besondere Licht.
    Wie kommt es, dass der Sommer fast immer über Nacht verschwindet? Oder war das nur deshalb seine Auffassung, weil er nicht in der Lage war, sich daran zu erinnern, wie es früher gewesen war?
    Trotz des Stocks ging er ziemlich schnell. Er hatte kein Ziel, lief nur planlos umher. Aber inzwischen kannte er Visby, würde sich nicht verlaufen.
    Der Herbst ist die Jahreszeit, die mir am wenigsten zusagt, dachte er. Wenn das Laub die Farbe wechselt und von den Bäumen fällt, dann ist das eine Bestätigung dafür, dass der Sommer gestorben ist. Und nach dem Herbst folgt unerbittlich der lange kalte Winter. Die Zeit der Kälte und der Dunkelheit.
    Am besten gefällt mir der Sommer. Und die lauen Sommernächte sind wohl das Schönste daran. Wenn man auf dem Balkon sitzen und über die Stadt schauen kann. Oder man spaziert einen einsamen Sandstrand entlang und hört dem Meer zu. Dinge, die bedeutungslos erscheinen, für mich aber immer wichtiger geworden sind.
    Ich weiß, viele mögen den Herbst. Viele Menschen, die ich kannte, sehen den Herbst sogar als die Jahreszeit an, die sie am meisten schätzen. Für sie ist der Herbst der Anfang von etwas Neuem. Für mich ist es der Anfang vom Ende.
    Eine dicke weiße Katze überquerte vor ihm die Straße. Stierna kannte sie, er hatte das Tier schon einige Male vor dem Wirtshaus gesehen. Es bewegte sich voller Würde, als schiene nichts auf der Welt es zu bekümmern.
    Ich hätte Gärtner werden sollen, dachte Stierna. Schuhmacher. Straßenbahnfahrer. Was auch immer, aber kein Polizist. Dann wäre ich zurechtgekommen, als ein ganz gewöhnlicher Svensson. Ich hätte regelmäßig den Rasen vor meinem Reihenhaus am Ålstenstorget gemäht oder wo auch immer ich gewohnt hätte. Hätte das Unkraut unter den Büschen hinter dem Zaun gejätet. Was auch immer, nur kein Polizist. Dann wäre ich zufrieden gewesen, hätte zuschauen können, wie meine Enkelkinder im Garten spielen. Vielleicht wäre mir eine Goldmedaille für lange, treue Dienste verliehen worden.
    Aber so einer bin ich nicht. Ich wollte es mit dem Dreck zu tun haben. Den Trümmern, der Ungerechtigkeit. Und das habe ich nicht lange suchen müssen. Wenn man Polizeibeamter ist, drängen sie sich dir von allein auf. Die Schattenseiten, das Dunkel, die Tragödien. Schlägereien im Suff. Betrüger. Kindesmörder.

Stockholm 1928
    71
    Es war schon Abend, als Alfred Weimers aus dem Regen ins Haus trat. Durch das Tor der Hagagatan 34. Die Uhr zeigte nach acht. Das war gut, jetzt waren die Bewohner sicher daheim. Nicht wie vor einigen Stunden, als er alle notieren musste, die auf sein Klingeln nicht geöffnet hatten. Die letzten Tage und Wochen war er durch Vasastaden gegangen. Hatte Besuche gemacht, immer wieder. Er war einige Male bei den Polizisten gewesen, die im Vasapark patrouillierten, seit zehn Tagen wurde der Park überwacht. Auf der Suche nach dem Mann, von dem sie immer noch keinen Namen hatten.
    Heute war Donnerstag, Donnerstag, der fünfundzwanzigste Oktober. Namenstag von Inga. Inga, dachte er, fast wie Ingrid.
    Die letzten Wochen waren sie auf der Stelle getreten. Die Befragungen der Taxifahrer waren ergebnislos gewesen, der Besuch von Geschäften, Restaurants, die Befragung von Kneipenpersonal. Die Gespräche mit Straßenbahn- und Omnibusfahrern. Mit Schaffnern. Der Mann, der gesagt hatte: »Ein Prost auf den Stinsen, dieses verdammte Schwein«, war nicht wieder im Restaurant »Runan« aufgetaucht. Sie hatten dort keine Stammgäste ausfindig machen können, die etwas wussten. Sie hatten keine Rowdys im Vorstrafenregister gefunden, die auf den Spitznamen Stinsen hörten.

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