Der Mann im Park: Roman (German Edition)
Berner.
Stierna stand vor dem Schreibtisch, die Hände hinter dem Rücken verschränkt.
»Wir haben Stadshagen durchkämmt. Haben in Treppenhäusern, auf Höfen, auf verlassenen Grundstücken gesucht.«
»Habt ihr auch unbewohnte Häuser durchsucht? Schuppen? Holzhütten?«
»Ja. Er ist nicht da.«
»Und Zeugenbefragungen?«
»Bis jetzt nichts. Aber wir machen damit morgen weiter.«
Berner saß schweigend in seinem Schreibtischsessel. Er ließ einen Füller auf dem Tisch hin und her rollen.
»Wir haben auch mit den Straßenbahnen angefangen«, berichtete Stierna weiter, »aber das hat nichts gebracht. Und die Kneipen auch nicht.«
»Er ist also verschwunden?«
»Ja.«
»Und die Taxifahrer?«
»Morgen. Wir werden Kontakt zum Stockholmer Taxiunternehmerverband aufnehmen, zum Zentralverband der Stockholmer Automobilbesitzer und zur Neuen Verkehrsvereinigung auch. Und dann die Fahrten von letzter Nacht überprüfen.«
Berner seufzte. Stierna merkte, dass sein Chef unter Druck stand.
»Unbedingt. Gleich morgen.«
»Natürlich.«
Berner stand auf, schob seinen Sessel nach hinten.
»Er ist uns also davongelaufen?«
»Es scheint so.«
»Er ist drei Polizeibeamten entwischt?«
Stierna antwortete nicht darauf.
»Das erwähnen wir nicht«, sagte Berner. »Kein Wort an die Presse. Versprich mir das.«
69
Seit der Nacht, als er das Mädchen erschlagen hatte, war er nicht mehr auf der Djurgårdswerft gewesen, erst jetzt ging er wieder dorthin.
Es sah dort aus wie immer. Verlassen und leer, jetzt, nachdem die Polizei hier fertig war. Denn er ging davon aus, dass sie hier fertig war. Keine Absperrungen mehr. Keine Uniformierten, die die Werft Tag und Nacht bewachten. Es war keiner von Stiernas Jungs mehr hier, zumindest sah er keinen von ihnen.
Sie hatten ihn auf dem Stadshagener Sportplatz verfolgt. Er hatte sie abgeschüttelt, genau wie er vieles andere in seinem Leben schon abgeschüttelt hatte. Scheinbar leicht, aber so einfach war es nicht gewesen.
Ihm war schnell klar gewesen, dass es Polizeibeamte waren. Sie hatten ihn gefunden, Stierna und die anderen. Obwohl er so fest davon überzeugt gewesen war, dass sie ihn nicht würden aufspüren können. Das Risiko gab es natürlich, aber er dachte, er hätte dafür gesorgt, dass sie ihn nicht fänden. Hatte sich das eingeredet.
Eine Zeit lang überlegte er, ob der Hass der Grund war, dass sie ihn gefunden hatten. Aber vielleicht war Hass ein zu starkes Wort. Es war dieses übertriebene Gefühl, dass er kein Unrecht mehr ertragen konnte. Vielleicht lag das an all dem, was er als Kind hatte ertragen müssen.
Er war die Sibyllegatan hinaufgejagt worden, in der ersten Nacht, als er versucht hatte, einen Wagen zu stehlen. Nicht nur gejagt, der Mann, der ihn verfolgte, hatte ihn verhöhnt, etwas in der Richtung gerufen, dass er ihn schon kaputt kriegen würde.
Und auch deshalb war er wieder zurückgekommen, dieses Mal im Schutze der Nacht. Und hatte sich den Wagen geholt, in dem er dann mit Ingrid gefahren war.
Er war gesehen worden. Nicht nur von dem Mann, der auf der Sibyllegatan hinter ihm hergerannt war, sondern auch vor der Werft, das hatte er in den Zeitungen gelesen. Er hatte Pech gehabt, eigentlich hätte die Nacht ihn besser verbergen sollen. Andererseits hatte er nichts dahingehend gelesen, dass ihn jemand mit Ingrid im Park gesehen hatte. Und er las jeden Tag die Zeitung, hörte Radio. In der Beziehung hatte er Glück, auch wenn er wusste, dass die Polizei derartige Informationen oft nicht veröffentlichte.
Fast alle Fenster in dem großen Haus ihm gegenüber waren dunkel, nur im Treppenhaus brannte noch Licht.
Er hatte den Schirm aufgespannt, der Regen prasselte jetzt mit aller Macht herab. Es hatte erst vor Kurzem angefangen, wie auf Kommando hatte der Himmel sich geöffnet. Schwere Tropfen fielen, schlugen hart auf die umliegenden Häuserdächer, schlugen hart auf seinen schwarzen Regenschirm. Er hatte sich immer noch keinen neuen Regenmantel gekauft, der alte war vom Blut des Mädchens verschmutzt gewesen, den hatte er wegwerfen müssen.
Er war in dem Haus gewesen, in dem er wohnte, hatte im Badezimmer im Keller geduscht, in dem mit dem Münzapparat. Dann die Trainingskleidung gegen den Anzug, den grauen Überrock und den braunen Hut getauscht.
Er hatte den Brief mitgenommen, den er an Ivar geschrieben hatte, an den einzigen Freund, den er je in seinem Leben gehabt hatte.
Den Brief, den er nie abgeschickt hatte, obwohl er einmal kurz davor
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