Der Mann im Park: Roman (German Edition)
als die Eingangspforte geöffnet wurde. Der Hundeführer blieb am Zaun stehen. Lundby ging auf den Kommissar zu.
Stierna tastete nach seiner Zigarettenpackung. Sie war leer.
»Der Hund hat die Spur in der Fleminggatan verloren«, sagte Lundby. »Nähe Polhemsgatan.«
Stierna schlug den Mantelkragen hoch.
»Da ist ein Taxenstand«, sagte er. »Gleich an der Kreuzung Fleminggatan/Polhemsgatan.«
»Ich weiß. Meinst du, er hat ein Taxi genommen?«
»Schon möglich«, sagte Stierna. »Aber ich habe meine Zweifel. Dass der Hund irgendwann die Spur verliert, war zu erwarten, vor allem dort, wo viele Menschen unterwegs sind.«
Lundby ging zurück zum Hundeführer, sagte ihm, dass er nicht mehr gebraucht wurde.
Fleminggatan, dachte Stierna, »Svältholmens« staubige Prachtstraße, auf der jeden Tag die Schritte der Arbeiter widerhallten. Auf dem Weg zu den Fabriken. Auf dem Weg zu den heruntergekommenen Mietskasernen oder den Kneipen in der Nähe.
68
Als Axel Jonsson in die Zweizimmerwohnung trat, die auf den Kronoberget hinausging, hängte er seine Jacke auf und ging in die Küche. Immer noch spürte er die Unruhe in seinem Körper. Sie wollte nicht verschwinden, trotz der Erschöpfung, die ihn überfiel. Stierna hatte ihn nach Hause geschickt, gesagt, das Aufgebot sei auch so groß genug.
Jonsson nahm aus dem Schrank über dem Spültisch eine Flasche Schnaps und ein Schnapsglas. Schenkte sich ein und trank es aus. Schenkte noch einmal ein.
Sie hatten ihn nicht erwischt, den Mann, der da in Stadshagen lief. Er nicht, Hultberg nicht, Lindberg nicht.
Die Wohnung war unordentlich, im Gegensatz zu dem ordentlichen Axel Jonsson, wie ihn seine Kollegen in der Abteilung für Gewaltverbrechen kannten. Aber nur wenige hatten ihn je zu Hause besucht.
Er schob die Zeitungen auf dem Küchentisch beiseite und trank noch ein Glas.
An der Wand vor ihm unter einem Wandkalender hing das Foto eines Mannes und einer Frau, beide um die fünfunddreißig. Sie saßen auf einer Holzbank vor einem Haus, das rot war, wie er wusste. Vor ihnen drei Mädchen und ein kleiner Junge. Das waren er selbst und seine drei älteren Schwestern: Thyra, Katarina und Anna-Karin. Thyra lebte nicht mehr, sie war vor zehn Jahren gestorben, als die Spanische Grippe im Land gewütet hatte.
Axel Jonsson betrachtete das Bild, ihm fiel auf, dass das eine der wenigen Gelegenheiten war, bei denen sein Vater sich ohne Uniform hatte fotografieren lassen.
Der Sohn hatte seit seiner Kindheit gewusst, dass er Polizist werden würde. Nicht, weil das sein Traumberuf gewesen war, sondern weil das eine Selbstverständlichkeit war. Sein Großvater väterlicherseits war irgendwo in Småland Landjäger gewesen, und sein Vater arbeitete immer noch als Hauptwachtmeister in der Zentralabteilung. Manchmal begegneten sie sich im Polizeigebäude.
Jonsson erinnerte sich daran, wie sein Vater abends in seiner Uniform nach Hause kam, in der Zeit, als er noch Patrouille in Norrmalm ging. Er hatte auf dem Schoß seines Vaters gesessen und all die Geschichten gehört, wie die Polizisten kleine Kinder vor bösen Alten retteten. Wie sie Schläger und Trunkenbolde überwältigten. Wie sie Kunstdiebe fingen. Bereits als er zehn Jahre alt war, hatte er seinen Eltern versprochen, dass er später Polizist werden würde.
Doch lange bevor Axel Jonsson sich selbst bei der Polizeitruppe bewarb, war ihm klar gewesen, dass die Erzählungen seines Vaters übertrieben gewesen waren. Freundlich ausgedrückt. Und schon seit Langem wusste er, dass die Polizeiarbeit ebenso überfrachtet von Routine war, wie alle anderen Berufe auch. Eigentlich war er nie besonders begeistert von dem Gedanken gewesen, Polizist zu werden, aber es hatte sich so ergeben. Denn es war ja so geplant gewesen. Und er war ein guter Polizeibeamter, immer ehrgeizig und gewissenhaft. Aber in dieser Nacht hatte er versagt.
Jonsson schaute auf den Wandkalender über dem Familienfoto. In drei Wochen wurde er achtundzwanzig Jahre alt. Er war nicht einmal dreißig und bereit, in die Elite der Abteilung für Gewaltverbrechen aufzusteigen. Dorthin, wo alle hinwollten.
Aber er hatte den Mann nicht erwischt, der mit hochgezogenen Knien gelaufen war. Der, den sie suchten.
*
Berner saß an seinem Schreibtisch. In dem perfekt eingerichteten Büro mit den gerahmten Bildern an den Wänden. Von allen, die vor ihm hier gesessen hatten. Von ihm selbst auch, das Bild war erst vor wenigen Jahren gemalt worden.
»Wo stehen wir?«, fragte
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