Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Der Mann im Park: Roman (German Edition)

Titel: Der Mann im Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pontus Ljunghill
Vom Netzwerk:
Arbeitszeit hinausgegangen; er hatte auch so genug frische Luft bekommen, bei den Einsätzen. Aber jetzt machte er fast jeden Tag einen langen Spaziergang. Er fragte sich, was seine Kollegen wohl von seiner neuen Angewohnheit hielten. Aber eigentlich interessierte ihn das gar nicht.
    *
    In der Abteilung für Gewaltverbrechen lief alles seinen gewohnten Gang.
    Er ging in sein Arbeitszimmer. Mehrere Mappen lagen auf dem Schreibtisch. Die meisten handelten von Verstößen gegen die Alkoholgesetze, aber es gab auch ein paar andere. Eine brutale Misshandlung vor dem Restaurant »KL« in der Wallingatan. Ein Mann, der seine Frau in Hjorthagen zusammengeschlagen hatte. Berner hatte ihm erzählt, dass sie in so vielen Gewalttaten ermitteln mussten, dass der Fall an Stierna ging. Er wurde gebraucht, nicht nur, wenn es um Schnaps oder Nachtklubs ging. Und »KL«, das war ja ein Lokal, das er früher besucht und überprüft hatte. Deshalb lag der Fall sozusagen in Stiernas Fahrwasser. Und wenn es um Misshandlung der Ehefrau ging … Berner hatte etwas in der Richtung geäußert, dass Stierna doch gut mit Frauen reden konnte.
    Er setzte sich an den Schreibtisch.
    Inzwischen sehe ich vor allem Elend, dachte Stierna. Und das Böse. Überall. Schlägereien im Suff, Misshandlung der Ehefrau, Eltern, die ihre Kinder schlagen, und Schlimmeres. Selbst Kleinigkeiten lassen mich zögern. Ich weiß, es gibt das Gute im Leben, vielleicht sogar in höherem Maße als das Schlechte. Aber ich sehe vor allem das Schlechte.
    Und wenn ich sie verhöre, all diese Ganoven, die vor mir sitzen … Meistens ist das Verständnis nicht mehr da, das ich früher für sie hatte. Was mich zum besten Verhörleiter in der Abteilung für Gewaltverbrechen gemacht hat. Jetzt will ich sie nur noch von der Straße weghaben. Und zwar möglichst schnell, damit sie keinen Schaden mehr anrichten können. Mit allen Mitteln, die es gibt. Laut Gesetz. Manchmal sogar noch darüber hinaus, ich weiß es nicht. Suche im Grenzland zwischen dem, was zugelassen ist, und dem, was nicht zugelassen ist.
    Ich bin so kompromisslos geworden. Als Karolina ging, ist das so geworden. Das Gleichgewicht gibt es nicht mehr, seit sie fort ist. Jetzt ist es, als hätte ich Scheuklappen. Scheuklappen, die das Gute verbergen.
    Meine Kollegen sind anders, zumindest die meisten. Wenn Roland Lindberg abends zu Frau und Kindern nach Hause geht, dann schüttelt er all das Schreckliche ab, was er den Tag über bei seiner Arbeit erlebt hat, das ist reine Überlebenstaktik. Man darf die Arbeit nicht mit nach Hause nehmen, nicht zu viel darüber in seiner Freizeit nachdenken, sonst entkommt man irgendwann dem Teufelskreis nicht mehr.
    Ich glaube sogar, dass ich derjenige war, der gefordert hat, dass man seine Uniform auszieht, bevor man abends nach Hause geht, bildlich gesprochen. Früher habe ich viele weise Sprüche von mir gegeben. Aber wenn ich dann daheim mit Karolina am Küchentisch saß, habe ich mich selbst nicht daran gehalten. Ich selbst hatte Mühe, diesen Worten zu glauben, auch heute noch. Eigentlich habe ich ihnen nie geglaubt.
    Stierna stand auf und verließ das Zimmer.
    Jonsson kam ihm auf dem breiten Flur entgegen, er wirkte gehetzt. Jonsson wirkte eigentlich nie gehetzt.
    »Was ist los?«, fragte Stierna.
    Der Kollege schaute ihn kurz an.
    »Es geht um Gustafsson. Sverker Gustafsson.«
    Stierna blieb stehen. Sverker Gustafsson, dachte er. Der Frauen misshandelte, den er erst vor wenigen Tagen vernommen hatte. Er hatte kein schlechtes Gewissen, obwohl er das vielleicht hätte haben sollen. Und er bereute es nicht, dass er Gustafsson gefragt hatte, ob er sich jemals an einen Mann herangetraut hätte.
    »Sitzt er in Untersuchungshaft?«, fragte Stierna.
    »Nein«, antwortete Jonsson, »sie haben ihn laufen lassen. Aus Mangel an Beweisen.«
    »Warte mal. Aus Mangel an Beweisen?«
    »Und jetzt ist er durchgedreht. Hat sich in seiner Wohnung am Kungsholmstorg verbarrikadiert. Ein Nachbar hat gehört, dass es in Gustafssons Wohnung sehr laut geworden ist. Frauenschreie. Möbel, die zertrümmert wurden. Deshalb hat er geklingelt, der Nachbar, ein Familienvater mit Frau und fünf Kindern. Er hat nebenan geklingelt, als die Frau drinnen so entsetzlich geschrien hat. Gustafsson hat geöffnet, und der Nachbar hat gefragt, was passiert sei. Worauf Gustafsson ihm eine Flasche auf den Kopf geschlagen hat. Nichts gesagt, nur zugeschlagen. Nur gut, dass die Frau drinnen die Gelegenheit genutzt hat,

Weitere Kostenlose Bücher